Walter Weiterschan

„Durch die Anwerbung von ausländischen Arbeitnehmern gab es Bedarf an Leuten wie mir, die sich kulturspezifisch auskannten (Sprache, Kultur) und zum Beispiel Sprachkurse für jugoslawische Bauarbeiter geben konnten.“

Walter Weiterschan

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Walter Weiterschan wurde 1942 in Weiskirchen/Belacrkva im damaligen Königreich Jugoslawien geboren. Als Angehöriger der deutschen Minderheit in Jugoslawien war sein Vater einer der wenigen Deutschen, die perfekt Serbisch beherrschten. Walters Mutter war Serbin, sie stammte aus einer Professorenfamilie und hatte aufgrund ihrer sozialen Stellung weniger Kontakt zur Bevölkerung als der deutschstämmige Vater, der als Lehrer arbeitete.

Als Deutscher geriet Walters Vater, obwohl er eine serbische Frau hatte, in Gefahr. Im Oktober 1944 floh die Familie Richtung Westen über Slowenien und Österreich ins Elsass. Um die Familie zu ernähren, arbeitete der Vater als Bergwerksarbeiter und Holzfäller. Walter und seine Schwester, die im Elsass in die Schule gingen, sprachen nur Französisch. Da der Familie als Deutsche im Elsass der Nachkriegszeit Ablehnung und Hass entgegenschlugen, entschied sie sich 1950 in die Bundesrepublik zu gehen, wo sie zuerst im Flüchtlingslager Betzenhausen unterkam.

Walter Weiterschans Vater fand in Baden-Württemberg ein Auskommen als Lehrer. Walter selbst hatte insgesamt acht Schulen in drei verschiedenen Ländern erlebt. Anfang der 1960er-Jahre absolvierte er das Abitur in Sassbach, 1972 ging er – nachdem er in Heidelberg und Freiburg das Studium der Volkswirtschaft und der Rechte begonnen hatte – nach München, um – wie er es sagte – „näher am Balkan zu sein“.

Ab 1972 war Walter Weiterschan – zuerst auf Honorarbasis, dann ab 1977 in einer Festanstellung – am Aufbau der Arbeiterwohlfahrt beteiligt. 15 Standorte in ganz Bayern sind sein Werk. Er war außerdem für das Personal zuständig und für die Koordinierung des Landesverbands mit der Bundesebene. Er saß also an einer Schaltstelle und hatte eine Mittlerposition inne: „Ich war Ansprechpartner sowohl für die Organisation, die Inhalte und die Finanzierung der Migrationsdienste als auch Kontaktperson zu den Kommunalreferenten und Ministerialbeamten.“ Die Arbeiterwohlfahrt war zuständig für Türken, Tunesier, Marokkaner und schließlich für die Jugoslawen, also für alle islamisch geprägten Länder und für das sozialistische Jugoslawien als Sonderfall.

„Den angeworbenen ausländischen Arbeitnehmer war bekannt, dass es diese Beratungsstellen gibt, vornehmlich durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Und die sind dann gekommen. Oder aber, wenn sie sich von der Arbeit nicht frei machen konnten, damals sind noch Sozialberater von München aus nach Freising gefahren, nach Erding, überall, wo Firmen waren und wo diese Firmen Unterkünfte gebaut hatten. Und daraus entstanden auch die Problemlagen zum damaligen Zeitpunkt. Wie ist die Unterkunft? Wird der Lohn ordentlich ausbezahlt? Gibt es da Schwierigkeiten?“

Das Arbeitsfeld, das Walter Weiterschan bei der Arbeiterwohlfahrt zu überblicken hatte, war breit gefächert. Es ging um die Zusammenarbeit mit den zahlreichen Behörden, mit denen die Arbeitnehmer zu tun hatten, wie Arbeitsamt, Rentenversicherungsanstalt, Berufsgenossenschaft. Des Weiteren verstand man sich als Vermittlungsinstanz zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, überprüfte die Arbeitsbedingungen, die Unterkünfte, half bei Problemen der ausländischen Arbeitskräfte im Zusammenhang mit der Aufenthaltsberechtigung und vielem mehr. Neben seiner Arbeit hat Walter Weiterschan ein Studium an der Stiftungsfachhochschule absolviert und 1985 als Sozialpädagoge abgeschlossen.

Walter Weiterschan war Mitglied des Ausländerbeirats der Landeshauptstadt München und leitete ab 2004 die Migrationsdienste der Inneren Mission in München.