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Hessen oder Thüringen, in Österreich oder Böhmen.

Warum es besonders bayerisch wurde, hängt vor allem

mit einer Stadt zusammen – das muss der vereinte Neid

aller übrigen Bayern München einfach lassen.

Dass Bier gleich Bayern und bayerisches Bier weltbe-

rühmt wurde, ist ein relativ junges Phänomen. Trotz

Reinheitsgebot war München um 1800 noch keine

Bierstadt, übrigens auch noch keine Kunststadt, über-

haupt eine Stadt, die als Residenzstadt weit hinter Wien

zurückstand und in wirtschaftlicher Hinsicht gegen-

über Augsburg und Nürnberg keinen wirklichen Vor-

sprung besaß.Was das Bier betraf,war die Ausgangslage

für Nürnberg damals fast günstiger.Noch im Jahr 1869

exportierten Nürnberg, aber auch Erlangen und Kulm-

bach jeweils etwa doppelt so viel Bier wie München.

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Hier produzierten diejenigen bayerischen Brauereien,

die die Chance zum Bierexport als Erste ergriffen, die

an Betriebsgröße zulegten und Schritte in Richtung

industrielles Brauen unternahmen. Der Auf- und bald

rasante Überholprozess Münchens hängt vor allem mit

Brauern wie Gabriel Sedlmayr Vater und Sohn zu-

sammen.

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Der Vater erwarb 1807 die Spaten-Brauerei

und führte sie vom letzten Rang in die Spitzengrup-

pe der Münchner Betriebe nach Löwenbrauerei und

Pschorr.Der Sohn entwickelte Spaten bis 1871 zur be-

deutendsten Brauerei des kontinentalen Europas.

Mit hohem praktischem Sachverstand ausgezeichnet,

erkannte Sedlmayr senior die Bedeutung der modernen

Naturwissenschaften für das Brauen, sorgte für eine

umfassende Ausbildung seines Sohnes und schickte ihn

1833 auf eine Studienreise nach England, in das Eldora-

do moderner Bierwirtschaft. AllenWirtschaftszweigen

ging es hier gleich, wer mithalten wollte, der musste in

das Mutterland der Industrialisierung, sei es als Student

oder als Spion oder beides. In Augsburg war es Georg

Neuhofer gewesen, der Ende des 17. Jahrhunderts das

Verfahren des Kattundrucks ausspioniert hatte. 1833

folgte Gabriel Sedlmayr mit seinem legendären Spazier-

stock,mit dem er über ein eingebautes Ventil bei Brau-

ereibesichtigungen heimlich Bier aus den Bottichen

zur näheren Untersuchung abzapfen konnte. Sedlmayr

brachte unter anderem das Ale mit nach München, das

hier aber keine wirkliche Begeisterung auslöste.

Entscheidend wurden seine Einsichten in das industri-

elle Brauen, insbesondere die Bedeutung des in England

schon 1784 erfundenen Saccharometers zur Bestim-

mung des Extraktgehalts derWürze. Daraus resultierte

eine ganze Reihe von praktischen Innovationen. Die

bedeutendste war die Kältemaschine nach Carl Linde,

dessen Forschungen Sedlmayr weitgehend finanzierte.

1875 wurde die Nr.1 in der Spatenbrauerei aufgestellt;

es gab dann eine weitere Nr.1, die zwei Jahre später

Aldersbach – der ideale Ausstellungsort

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bier in bayern