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Krug in Form eines Totenkopfs

Um 1900 | Biskuitporzellan, bemalt,

H. 14,5cm, Ø 16cm | Haus der Bayerischen

Geschichte, Augsburg (00277)

D

en Stammkrug in Form eines Toten­

kopfs benutzte der Arzt und Lokalho-

noratior Dr. Albert Gäch (1852–1926) bei

seinen Besuchen im GasthausWittmann in

Schwarzach (Lkr. Straubing-Bogen).Gemäß

der Überlieferung trank er daraus die im

Ort nach ihm benannte „Doktorhoibe“,

eine rasant mit viel Schaum und daher zwar

schlecht eingeschenkte, dafür aber beson-

ders frisch schmeckende Halbe.

Der Krug ist aus unglasiertem,mattem

Biskuitporzellan gefertigt.Diese gewöhnlich

reinweiße, marmorartige Porzellangattung

ahmt durch die Bemalung in Beige-,Braun-

und Grautönen menschliche Knochen

nach. Auch in seiner Form ist der einen

Totenkopf darstellende Krug wirklichkeits-

getreu gestaltet, sogar die Schädelnähte sind

ausgeführt. Der Bierkrug atmet schwarzen

Humor, was durch das grinsende Gebiss

noch unterstrichen wird. ImWirtshaus war

er ein Statement − mit seinem Besitzer soll-

te man sich besser nicht anlegen.

Tatsächlich handelte es sich bei Albert

Gäch um einen streitbaren Charakter. Er

war Gründungsmitglied des 1893 ins Leben

gerufenen niederbayerischen Bauernbunds,

dessen Programm er entwarf. Gäch war ein

enger Freund und Berater des Großbauern

FranzWieland (1850–1901), Kopf des radi-

kalen Flügels des Bayerischen Bauernbunds.

Als politische Partei kämpfte der Bauern-

bund für den Schutz der heimischen Land-

wirtschaft vor ausländischen Produkten und

für die Reduzierung der Abgabenlast der

Bauern und des Mittelstands. Er wandte

sich gegen das Großkapital und den Ein-

fluss von Adel und Klerus; so forderte er

auch die Trennung von Staat und Kirche.

Gäch – aufgrund eines Sprachfehlers im

Nachteil – und Wieland traten meist ge-

meinsam auf und hielten aufstachelnde Re-

den, die Gäch bei einer Gelegenheit 30Tage

Gefängnis wegen Beleidigung einbrachten.

1895 erzwang er satzungswidrig seineWahl

zumVorsitzenden des Landwirtschaftlichen

Bezirksvereins Bogen.Trotz solcher Dreis-

tigkeiten war der akademisch gebildete

Mediziner Gäch, anders als die meisten

seiner Parteifreunde, in der Lage, geschlif-

fene Redemanuskripte und Presseartikel zu

verfassen.Von 1899 bis 1904 war er für den

Wahlkreis Straubing Mitglied des Bayeri-

schen Landtags. In seiner Heimatgemeinde

Schwarzach, wo er neben seiner Arztpraxis

einen kleinen Bauernhof bewirtschaftete,

war der Doktor beliebt. Er engagierte sich

für Bedürftige und versuchte, die Landbe-

völkerung mithilfe von Kochkursen für eine

gesündere Ernährung zu gewinnen.

M.N.

Lit.:

Braun, Bayerischer Bauernbund; Heller, Bauernbund;

Kirchinger, Bauernrebell, S. 55–61 und passim; freundliche

Hinweise von RupertVenus, Schwarzach

Der Bauernbundpolitiker

Dr. Albert Gäch trank sein Bier im Wirtshaus

aus diesem ungewöhnlichen Krug.

07 Bierberühmtheiten und Bierschätze

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