Tschechisch

BAYERISCH-TSCHECHISCHE LANDESAUSSTELLUNG 2016/17

Themen

Kaiser Karl IV. gilt als einer der glanzvollsten spätmittelalterlichen Herrscher, obwohl seine Lebens- und Regierungszeit in eine Krisen- und Umbruchzeit Europas fiel. Der „Schwarze Tod“ dezimierte die Bevölkerung, die Menschen waren Naturkatastrophen, Sturmfluten, Erdbeben, Klimaveränderungen ausgesetzt, das große Kirchenschisma in Karls Todesjahr 1378 brachte unabsehbare Folgen. Zugleich zeigte sich diese Krisenzeit als Blütezeit der Künste, der Architektur und technischer Innovationen und gab Anlass zu Modernisierung und Wiederaufbau.
Karl IV., 1316 als Sohn der Přemyslidenprinzessin Elisabeth und Johanns von Luxemburg geboren, war auf den Namen Wenzel getauft worden. Sein Großvater väterlicherseits war der 1313 verstorbene Kaiser Heinrich VII., sein Großvater mütterlicherseits war Wenzel II., König von Böhmen und Polen. Wenzel/Karl erhielt seine Erziehung in Paris am Königshof; als sein Firmpate verlieh ihm der französische König Karl IV. „seinen“ Namen – Carolus/Karl. In Italien und später in Tirol sammelte Karl im Auftrag seines Vaters Johann erste Erfahrungen in politischen Verhandlungen und als militärischer Anführer.
Der eifrige „Kronensammler“, als den man Karl IV. bezeichnen könnte, wurde 1346 zum Gegenkönig Ludwigs des Bayern, der unter päpstlichem Bann stand, gewählt. 1347 folgte Karl seinem Vater als König von Böhmen nach. Den Kampf um die Krone des Heiligen Römischen Reichs gewann er 1349, nach dem überraschenden Tod Ludwigs des Bayern, mit der regulären Wahl zum Römischen König dank der Unterstützung des Papstes. Dies brachte ihm Schmähungen als „Pfaffenkönig“ ein, auch Stimmenkauf wurde ihm unterstellt. Seiner Krönung zum Kaiser 1355 gingen komplizierte Verhandlungen mit dem Papst voraus. Das Ergebnis war die Erneuerung des Kaisertums im Heiligen Römischen Reich.
Was Karl besonders auszeichnete, war seine hohe Bildung, die ihn zu einem Kaiser nicht nur des Schwertes, sondern auch der Feder machte. Deshalb wird die Betätigung des Kaisers als Autor ein wichtiges Kapitel der Ausstellung bilden.
Karl hat die politischen und finanziellen Mittel seiner Zeit geschickt und erfolgreich gehandhabt. Die reichen Silbervorkommen Böhmens und die Förderung des Handels bildeten die materielle Grundlage seiner Hausmachtpolitik, während sich seine Reichspolitik vor allem auf die Reichsstädte und die Bischöfe stützte. Er war fromm und berechnend zugleich, manchmal skrupellos: 1348/49 kam er seiner Schutzverpflichtung gegenüber den Juden als „Königlichen Kammerknechten“ in den Reichsstädten nicht nur nicht nach, sondern profitierte noch finanziell und politisch von den Pogromen der Pestzeit.
Weil er die Erweiterung seiner Hausmacht in großem Umfang durch die Verpfändung von Reichsgut finanzierte, bestimmte die Einschätzung als „Vater Böhmens, aber Erzstiefvater des Reichs“ lange sein Bild in der deutschen Geschichtsschreibung. In der Tat hat Karl sein Königreich Böhmen und die tschechische Sprache besonders gefördert: Mit der Gründung der Neustadt wurde Prag zu einer der größten Städte Europas. Mit der Erhebung Prags zum Erzbistum und insbesondere mit der Gründung der ersten Universität nördlich der Alpen und westlich des Rheins 1348 entstand eine glanzvolle, mit ihrer Kunst und Architektur in Europa zeitweise stilbildende Residenzstadt. Das historische Zentrum Prags zählt nicht zuletzt aufgrund der Bauten, die sich aus Karls Zeit erhalten haben, wie der steinernen Karlsbrücke und dem Veitsdom auf dem Hradschin, seit 1992 zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Der Herrschaftsbereich des Königreichs Böhmen reichte mit dem so genannten Neuböhmen bis kurz vor die Tore der Reichsstadt Nürnberg. Die Heirat mit Anna von der Pfalz und auch die notorische Finanznot der pfalzgräflichen Familie verschafften Karl großen Landbesitz westlich des Böhmerwalds. 1355 erklärte er diese Gebiete zum integralen Bestandteil der Krone Böhmens. Obwohl bereits wenige Jahre später ein Teil „Neuböhmens“ wieder an die Wittelsbacher verpfändet wurde – Karl finanzierte damit den Kauf der Mark Brandenburg –, blieb die „Goldene Straße“ zwischen Prag und Nürnberg eine der wichtigsten Ost-West-Verbindungen des Mittelalters.
Karl IV. hinterließ ein fundamentales Gesetzeswerk, das seit 2013 zum UNESCO-Weltdokumentenerbe zählt: Die nach dem verwendeten Siegel benannte Goldene Bulle von 1356, die zu einer Art Reichsgrundgesetz wurde, regelte für viereinhalb Jahrhunderte den Ablauf der Wahl des Römischen Königs durch die Kurfürsten.
Kaiser Karl IV. war nicht nur ein passionierter Reliquiensammler und großzügiger Stifter. Von den zentralen Orten des Reichs war ihm Nürnberg besonders wichtig. Die Stadt diente ihm als zweite Residenz und wurde von ihm nachdrücklich gefördert. Er hat sich hier nach Prag am häufigsten aufgehalten, hier wurde auch sein Thronfolger Wenzel geboren.
Unter geschickter Nutzung der wirtschaftlichen Entwicklung, von Handel, Finanzwesen und Bergbau, konnten sich Herrschaft und Repräsentation Karls IV. entfalten. Im Zentrum steht hier seine Hofkultur, die in die Länder der böhmischen Kronen und in das Reich ausstrahlte, geprägt von Künstlern aus vielen europäischen Regionen. Sie wird in der Ausstellung mit herausragenden Stücken dokumentiert werden.
Einen weiteren Schwerpunkt stellt das Nachleben des Kaisers dar. Er wurde ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von deutscher wie von tschechischer Seite einseitig als deutscher Kaiser bzw. böhmischer König vereinnahmt und diente im 20. Jahrhundert verschiedenen politischen Regimes in den böhmischen Ländern als Projektionsfläche. Heute wird Karl IV. eher zu kommerziellen als zu nationalistischen Zwecken instrumentalisiert, auch wenn die alten Deutungen gelegentlich nachklingen.