Ludwig der Bayer - page 3

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Ludwig der Bayer – Der Kaiser aus dem HausWittelsbach
und vom Bruder Rudolf
1292
,
1298
und
1308
noch
vergeblich angesteuerten Zieles arbeitete er mit gro-
ßem Geschick. Herzog Ludwig war ein erfolgreicher
Territorialpolitiker.
Der König
Im Jahr
1314
gelangte Ludwig IV. im Rahmen einer
Doppelwahl endlich auf den Reichsthron.
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Die habs-
burgischen Ansprüche Friedrichs des Schönen wur-
den – ganz in mittelalterlicher Manier – auf dem
Schlachtfeld zu Mühldorf
1322
ausgeschaltet.
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Das
Gottesurteil („iudicium belli“) dieser letzten Ritter-
schlacht der Geschichte wurde allseits anerkannt. Die-
se reichspolitische Entscheidung musste der König im
Wesentlichen mit eigenen Kräften durchsetzen, doch
konnten die Ressourcen des Reichs auch weiterhin nur
sehr begrenzt genutzt werden, weil der nun aufbre-
chende Konflikt mit der Kurie ein neues Kampffeld er-
öffnete, das den Aktionsradius des Königs zusätzlich
einschränkte. Gewiss war er bemüht, durch eine plan-
volle Heiratspolitik das gesamte Reichsgebiet weiter
einzubinden; seine zwei Ehefrauen wurden gezielt aus
den Randzonen des Ostens und des Nordwestens ge-
nommen. Dennoch blieb der König weithin auf seine
Stammlande angewiesen. Das gilt in personeller, insti-
tutioneller und materieller Hinsicht in gleicher Weise.
Die Reichsregierung musste im Wesentlichen mit den
Ressourcen des Herzogtums bestritten werden. Diese
setzten Grenzen.
Ein aussagekräftiger Indikator für die beschränk-
ten Verhältnisse ist das Herrscheritinerar. Es zeigt ein-
deutig, dass sich Ludwig auch als Reichsoberhaupt
vorzugsweise im oberdeutschen Raum bewegte.
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Die
Regierung des Reichs erfolgte stark von den Stamm-
landen aus. Man darf München auch nicht als Haupt-
stadt des Reichs unter König Ludwig bezeichnen, was
immer wieder – etwa unter Verweis auf die auf Kö-
nig Ludwig zurückgehenden Stadtfarben Schwarz und
Gold – vorgeschlagen wird. Das Reich blieb auch unter
ihm ein Reich ohne Hauptstadt.
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Dennoch versuchte
Ludwig mit aller Kraft, von seinen Stammlanden aus
in das Reich hineinzuwirken, um sich als würdiger In-
haber des Königsthrons zu erweisen. Diesem Bestre-
ben verdankte Nürnberg seinen Aufstieg zum großen
Zentrum der Königsherrschaft Ludwigs.
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Das nahe
der Grenze des Herzogtums gelegene Nürnberg dien-
te ihm als Sprungbrett aus den Stammlanden in das
Reich. Als weitere Station in Richtung der Kernräume
fungierte Frankfurt.
Ludwig ist mit Vorliebe an diesen Orten als Reichs-
oberhaupt aktiv geworden. Unverkennbar baute er sein
Regiment auf die Reichsstädte auf. Dabei kam ihm zu-
gute, dass deren Konzentration im Süden des Reichs
sich ohnehin mit den Schwerpunkten seiner Herr-
schaft deckte. Die nördlichste Reichsstadt, die er je
aufsuchte, war Köln. Weiter nach Norden ist er nie ge-
kommen. Gänzlich außerhalb seiner Reichweite blieb
der Ostseeraum. Ludwig war ein großer Förderer der
Reichsstädte und des dortigen Bürgertums. Durch ge-
zielte Zusammenarbeit wollte er deren anwachsende
Finanzkraft zur Stabilisierung seines Königsregiments
nutzen. Als Prototyp der den König unterstützenden
bürgerlichen Hochfinanz 
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schob sich Konrad Groß
aus Nürnberg in den Vordergrund. Bezeichnenderwei-
se logierte der Kaiser bei seinen vielen Aufenthalten in
der Noris nicht auf der kalten und unwirtlichen Kai-
serburg, sondern im gastlichen Bürgerpalais am Ufer
der Pegnitz. In gleicher Absicht arbeitete das Reichs-
oberhaupt mit den wohlhabenden Patriziern in Frank-
furt zusammen. Vor allem in seiner Frühzeit koope-
rierte er auch mit Regensburger Geschlechtern. Kapital
aus Regensburg trug wesentlich zu seinem Aufstieg
bei.
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Dieser Rückgriff des Reichsoberhaupts auf die Fi-
nanzkraft des erfolgreichen Bürgertums in den Reichs-
städten war eine weithin neue Praxis. Ludwig der Bay-
er war dazu gezwungen, da ihm die Reichsressourcen
nur begrenzt zur Verfügung standen. Die Missstände
begannen bereits bei seiner Krönung am
25
. Novem-
ber
1314
, die zwar am rechten Ort in Aachen, aber mit
Ersatzinsignien durchgeführt werden musste, weil sich
die echten Insignien bei der Gegenpartei befanden.
Erst
1324
kamen sie nach München, wo sie fortan mit
größter Sorgsamkeit in der Hofkapelle St. Lorenz zu
München verwahrt wurden.
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Gerade der Umgang mit
den Reichsinsignien zeigt das Bestreben, unbedingt
an das Reichsherkommen mit seinen verpflichtenden
Normen anzuknüpfen, um den Makel der Doppelwahl
vergessen zu machen.
Dieser Anspruch bestimmte sodann die Praxis der
Herrschaftsausübung. Hier verschaffte Ludwig der
Bayer dem überkommenen Mittel der Königsurkunde
mit unverkennbarer Vorliebe neue Geltung. Er hat Kö-
nigsprivilegien in einer Anzahl ausgestellt wie kein In-
haber des Reichsthrons vor ihm. Auf rund
6000
wird
die Anzahl seiner Urkunden geschätzt.
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Schon durch
diese ungewöhnliche Menge wollte er sein Königs-
regiment möglichst breit im Land zur Wirkung brin-
gen. Nicht minder bemerkenswert ist deren Ausgestal-
tung. Zumindest eine kleine Gruppe wurde in Form
von ausgesprochenen Prunkurkunden angefertigt, de-
ren sich besonders der bevorzugte Schreiber Leonhard
von München annahm.
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Hier ließ der angefochtene
Throninhaber alle Möglichkeiten der Diplomatik zum
Einsatz bringen, um sich als Reichsoberhaupt in glanz-
volles Licht zu rücken. Den höchsten Ansprüchen ge-
nügende Form entsprach die inhaltliche Gestaltung.
Besondere Aufmerksamkeit wandten die Kanzlisten
den Arengen zu, in denen sie die Grundlagen der Herr-
scherposition in sehr anspruchsvolle Worte zu klei-
den suchten.
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Mit wohlgesetzten Formulierungen
wurden hier das Lehenwesen und der „fides“-Gedan-
ke beschworen. Auch die Reichsversammlungen wur-
den bewusst in die Tradition der königlichen Hoftage
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