Ludwig der Bayer - page 5

23
Ludwig der Bayer – Der Kaiser aus dem HausWittelsbach
treten auf der Bühne des Reichs als König und als Kai-
ser. Wenn diese Ebenen miteinander in Widerstreit ge-
rieten, kam der Reichsebene der Vorrang zu. Dafür ist
das überzeugendste Beispiel Regensburg. Der König
hielt über die Reichsstadt immer seine Hand, obwohl
seine Dynastie die frühere Hauptstadt unbedingt zu-
rückgewinnen wollte.
44
Die Kirche
Die Kaiserkrone brachte Ludwig IV. in unmittelbare
Beziehung mit dem Papsttum. Kaiser und Papst waren
im Verständnis des Mittelalters die zwei obersten Au-
toritäten auf dieser Welt.
45
Im Sinne der Zweischwer-
terlehre sollten sie im Idealfall zusammen das Welt-
geschehen lenken. In der Praxis freilich waren sie seit
Langem in einen erbitterten Wettstreit eingetreten.
„Imperium“ und „Sacerdotium“ kämpften um den
Vorrang. In diesem Ringen hatte der Untergang der
Staufer eine Vorentscheidung gebracht. Seit dem Inter-
regnum setzte die Papstkurie im Bund mit Frankreich
zum Griff nach der Weltgeltung an. Sichtbare Folge
war, dass nach Friedrich II. über ein halbes Jahrhun-
dert hinweg kein König mehr die Kaiserkrone erlangt
hatte. Erst dem Luxemburger Heinrich VII. gelang im
Jahr
1312
die Erneuerung der früheren Tradition. Lud-
wig der Bayer war fest entschlossen, diesen Weg fort-
zusetzen, um damit sein Haus im Wettstreit der Dy-
nastien auf den Höhepunkt zu führen. Freilich stieß
dieses Bemühen auf den energischen Widerstand der
Papstkurie, die sich in französischer Gefangenschaft
in Avignon befand. Die Folge war die Fortsetzung der
überkommenen Auseinandersetzung um den Vorrang,
die nunmehr aber durch die angesprochene Abdrän-
gung der Kurie von der großen Politik und das baldige
Schisma zu einem gewissen Abschluss kam. Dieses le-
benslange Ringen mit der Papstkurie ist das entschei-
dende Signum der Regierung Ludwigs geworden.
46
In diesem Zusammenhang kam es zu intensiven
Auseinandersetzungen um den rechten Weg der Kir-
che. Sie werden unter dem Oberbegriff des „Theoreti-
schen Armutsstreites“ zusammengefasst. Gegen die
herkömmlichen Ansprüche der Welt- und Machtkir-
che, die in Avignon ihren weithin sichtbaren Ausdruck
fanden, meldeten sich die Mendikanten als Verfechter
des Armutsideals und der Urkirche lautstark zu Wort.
Sie fanden wirkungsvolle Unterstützung bei Ludwig
dem Bayern. So wurde sein Hof Mittelpunkt eines er-
bitterten Ringens.
47
Das positive Ergebnis dieser theo-
retischen Auseinandersetzung waren zukunftweisende
und klärende Gedanken einerseits über das Wesen des
Staates und der weltlichen Obrigkeit, andererseits über
die Aufgabe und die Organisation der Kirche, über den
innersten Kern der Glaubenslehre. In diesem Rahmen
wurden intensive Erörterungen über Kaiser und Reich,
Religion, Kirche, Papst und Konzil angestellt. Als zen-
traler Kernpunkt kristallisierte sich das Verhältnis von
Kirche und Staat heraus.
48
Unter diesem Aspekt ist
auch die Frage der Verheiratung des Kaisersohnes mit
Margarete Maultasch zu sehen. Es wurden sogar ers-
te Gedanken in Richtung Demokratie, Volkssouverä-
nität sowie Konziliarismus entwickelt. Die Modernis-
ten in dieser Auseinandersetzung waren eindeutig auf
der Seite Ludwigs zu finden. Gewiss ist dem Kaiser die
volle Tragweite dieses Disputs nicht erkenntlich gewe-
sen; dafür fehlte ihm jegliches Verständnis. In seinem
Interesse lag allein die politische Verwertbarkeit in der
Auseinandersetzung mit Avignon. Sein Part war haupt-
sächlich der weltliche Schutz der Kuriengegner, die
ihm als Gegenleistung Argumentationshilfen zu lie-
fern hatten. Allein die Tatsache, dass er diese im Mi-
noritenkloster in München fast wie eine Hofakademie
um sich versammelte 
49
, weist ihm aber eine bestim-
mende Rolle in diesem Schlussabschnitt des welthisto-
rischen Ringens zu.
Natürlich setzte die Amtskirche alle ihre Mittel ge-
gen Ludwig ein. Mit überlegener Argumentation be-
stritt sie dessen Rechtgläubigkeit und verdammte ihn
als Ketzer;
1324
belegte sie ihn mit dem Kirchenbann,
der bis heute nicht widerrufen wurde. Sie gab sich alle
Mühe, den sich überschätzenden kleinen „Bavarus“
der Lächerlichkeit preiszugeben.
50
Selbstverständlich
setzte sich dieser gegen die Angriffe zur Wehr und ver-
suchte, seine Rechtgläubigkeit mit seinen Mitteln zu
beweisen. Weiterhin rekrutierte er sein Verwaltungs-
personal auch aus klerikalen Kreisen. Zahlreiche Klös-
ter haben von ihm großzügige Förderungsurkunden er-
halten. In der Vielzahl der Königsprivilegien kommt
den kirchlichen Empfängern ein bemerkenswerter An-
teil zu. Sie verbesserten in der Regel den rechtlichen
und wirtschaftlichen Status der Kirchen. König Ludwig
hat als einer der wirkungsvollsten Förderer der Klöster
noch einmal einen entscheidenden Beitrag zur Stabili-
sierung der monastischen Welt in Bayern geleistet. Die
bayerische Klosterwelt ist mit dem großen Hofmarks­
privileg von
1330
einer der Gewinner der Auseinander-
setzung geworden.
51
Sogar als Klostergründer trat Lud-
wig mit der Benediktinerabtei Ettal auf.
Wie den Mönchsklerus förderte er auch den Welt-
klerus. Er bemühte sich um den Aufbau einer schlag-
kräftigen wittelsbachischen Partei im bayerischen
Episkopat, die der überlegenen kurialen Partei wir-
kungsvollen Widerstand entgegenstellen sollte. Dazu
setzte er vor allem die Förderung durch königliche
Privilegien ein.
52
Bischof Nikolaus von Ybbs aus Re-
gensburg gehörte zumindest vorübergehend zu seinen
wichtigen Parteigängern. Die Domkapitel erfuhren, vor
allem durch Wahlkapitulationen, eine nachhaltige Auf-
wertung. Die Förderung durch den Gebannten brachte
die bayerische Kirche in einen Loyalitätskonflikt. Doch
› Imperium und Sacerdotium
kämpften um den Vorrang ‹
1,2,3,4 6,7,8
Powered by FlippingBook