"...wider Laster und Sünde" - Augsburgs Weg in der Reformation

Ausstellung des Hauses der Bayerischen Geschichte in Augsburg, St. Anna,
vom 26. April bis 10. August 1997

Luther und die ersten reformatorischen Prediger in Augsburg
Bild Format Beschreibung Kat.Nr.
Luther JPEG, 403 x 509 pix, 48 KB Porträt Martin Luthers (1483-1546)
Werkstatt Lucas Cranachs, 1529 oder später
6
Keller GIF, 449 x 444 pix, 63 KB Porträt des Michael Keller
(vor 1500-1548)

Kupferstich von Johann Conrad Stapff
18

Das Porträt Luthers (Kat. 6) gibt zunächst Gelegenheit, im Anschluß an die Ablaßproblematik kurz auf die Einleitung des Ketzerprozesses gegen den Wittenberger im Frühjahr 1518 und auf die Augsburger Ereignisse des Oktober 1518 einzugehen (Disputation mit Kardinal Cajetan, Verweigerung des Widerrufs, Flucht aus der Stadt wegen drohender Verhaftung; Verweis der Schüler/innen auf Kat. 8a, 8b). Sodann sollte hervorgehoben werden, daß man hier gewissermaßen vor einem 'Star-Porträt' der damaligen Zeit steht, da es mit Luther einen Mann zeigt, der nach 1517 innerhalb weniger Jahre in ganz Deutschland und darüber hinaus bekannt und populär wurde.
Je nach Altersstufe, Schulart und unterrichtlicher Vorbereitung kann vor allem der mediengeschichtliche Bezug des "Falles Luther" herausgestellt werden:
Der Hauptgrund für das Interesse der Zeitgenossen an seiner Person lag sicherlich darin, daß viele den Kerngedanken seiner Theologie - der sündige Mensch erreiche die Rechtfertigung vor Gott, also das Seelenheil, nicht durch fromme Werke und die angeblich unverzichtbare Mitwirkung der Kirche, sondern allein durch den Glauben und die Gnade Gottes, vermittelt durch das Evangelium - als überaus befreiend empfanden. Die rasche und weite Verbreitung dieser Vorstellungen war dem damals einzig dafür geeigneten Medium, der gedruckten Schrift, zu verdanken - allein in Augsburg wurden Luthers Abhandlungen mit einer Gesamtauflage von ca. einer halben Million veröffentlicht. Vorrangig durch gedruckte Schriften wurde außerdem das persönliche Schicksal des Reformators bekannt, und dies trug (wie es heute bei der Promotion eines Stars bewußt eingesetzt wird) entscheidend zur Verbreitung seiner Lehre bei: Luthers Konflikt mit der - bei vielen Menschen unbeliebten - Kirchenhierarchie wirkte sympathiestiftend.
Ausdruck dieser Popularität ist die Fülle von Porträts, die von ihm - häufig auf Lukas Cranach zurückgehend bzw. aus seiner Werkstatt stammend - in den nächsten Jahren und Jahrzehnten geradezu seriell gefertigt und verbreitet wurden, sei es als Holzschnitt, der Luthers Schriften beigefügt war (vgl. Kat. 11), sei es als Ölgemälde, wie es hier ausgestellt ist (Kat. 6).
Der Erfolg der Reformation wäre allerdings ohne die zahlreichen 'Multiplikatoren' - Autoren und Prediger - undenkbar gewesen, die Luthers Gedankengut weitervermittelten oder in die Praxis des Gottesdienstes umsetzten. Dies sollte den Schülerinnen und Schülern bewußt werden, ebenso, daß nicht alle reformatorisch wirkenden Personen Luthers Auffassungen vertraten, es also in der Erneuerungsbewegung neben Luther (und den zwei anderen Hauptgestalten Zwingli - Kat. 9 - und Calvin) weitere Persönlichkeiten und Strömungen gab.
Einblick in den "konfessionellen Pluralismus", der gerade in Augsburg herrschte, kann den Schülerinnen und Schülern zu Beginn der II. Abteilung anhand der Porträts verschiedener Augsburger Prediger aus dem ersten Jahrzehnt der Reformationszeit vermittelt werden. Zu entscheiden ist dabei, ob man als einen wichtigen Grund für diesen Pluralismus die offene Politik des Rats erwähnt: Er vermied bis ins Jahr 1531 die andernorts schon erfolgte konfessionelle Festlegung, weil er einerseits unter dem Druck der reformationsfreudigen Gemeindemitglieder stand, andererseits Rücksicht auf den Bischof, die Beziehungen zum Kaiser und die ökonomischen Interessen der Stadt bzw. des Patriziats nahm.
Ein genaueres Eingehen auf die unterschiedlichen Ausrichtungen der protestantischen Prediger, die sich vor allem im komplizierten Abendmahlsstreit niederschlugen, kommt wohl nur ausnahmsweise in Frage. Am Beispiel Ökolampads (Kat. 12), der sich erst nach einer Phase der Besinnung im Kloster ganz zur reformatorischen Theologie bekannte, läßt sich zeigen, daß mit dem Auftreten Luthers für viele eine durchaus schwierige Entscheidungssituation entstand. Urbanus Rhegius (Kat. 16) wagte es zunächst nicht, seine Sympathie für Luthers Anschauungen anders als anonym zu zeigen, und als er es 1521 dann doch tat, mußte er bald die Stadt verlassen. Nach seiner Rückkehr 1524 war er - ohne größeren Erfolg - auf Ausgleich zwischen den reformatorischen Strömungen bedacht. Bei Michael Keller (Kat. 18) handelte es sich um einen Anhänger Zwinglis, der gegen die bildliche Ausschmückung von Kirchen vorzugehen versuchte (vgl. Kat. 31, Kat. 76) und den städtischen Unterschichten verbunden war. Auch Jakob Dachser als der Vertreter der Augsburger Täufer (Kat. 20) ist zu beachten, da diese Gruppe, die die Kindertaufe ablehnte und eine Lebensführung in strengem Gehorsam gegenüber dem Evangelium forderte, eine auch sonst weit verbreitete Strömung repräsentierte. Ihre Behandlung - sie wurde 1527 aus Anlaß des Augsburger Täufertreffens brutal unterdrückt - kann auf die Problematik repressiver Maßnahmen gegen religiöse Außenseiter verweisen. Schließlich muß erwähnt werden, daß weiterhin altgläubige Prediger an einigen Kirchen wirkten und daß der schärfste Gegner Luthers, Johannes Eck (Kat. 14), bei seinen Besuchen in Augsburg immer wieder seine antireformatorische Position vertreten konnte.

Zurück