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Herrenchiemsee – Klosterinsel, Königsinsel,
Verfassungsinsel Herrenchiemsee ist geprägt von einem historischen Dreiklang, der den Besuchern drei Zeitschichten von unterschiedlicher Dauer und Bedeutsamkeit nahe bringt und der in eindrucksvollen authentischen Orten Gestalt gewinnt: Als Klosterinsel erinnert es an eine mehr als 1000-jährige europäische Klostergeschichte, die 1803 durch die Säkularisation radikal beendet wurde, als Königsinsel gibt es einen Eindruck vom unzeitgemäßen Königtum Ludwigs II. und als Verfassungsinsel lässt es die Vorgeschichte des Grundgesetzes und damit ein bis heute bestimmendes Kapitel der Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts anschaulich werden ... |
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„Stürmische Überfahrt“ von Herrenchiemsee nach Bonn –
Bayern und das Grundgesetz Als sich im August 1948 ein Kreis von Juristen und Politikern auf der idyllisch gelegenen Herreninsel im Chiemsee versammelte, wartete kein erholsamer Urlaub, sondern anstrengende Arbeit auf sie. Die Verfassungsexperten sollten als Abgesandte der Länder der westlichen Besatzungszonen die am 1. September 1948 im Parlamentarischen Rat in Bonn beginnenden Beratungen über das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vorbereiten. Lange wurde die Bedeutung des so genannten Verfassungskonvents von Herrenchiemsee unterschätzt. So hatte der bayerische Landesvorsitzende der FDP und spätere Bundesjustizminister Thomas Dehler die Legitimation des Konvents grundsätzlich infrage gestellt ... |
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Die Verfassung des Freistaates Bayern – Ein
„ungetragenes Kleid des bayerischen Volkes“? Das Grundgesetz ist in aller Munde. Anlässlich seines 60. Jubiläums konnte der Journalist Heinrich Wefing 2009 in der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ feststellen: „Worüber das Land auch immer stritt, es stritt mit dem Grundgesetz in der Hand.“ Die Verfassung des Freistaates Bayern, die durch Volksentscheid vom 1. Dezember 1946 angenommen wurde und damit neben der Verfassung des Landes Hessen die älteste der deutschen Nachkriegsverfassungen ist, steht weniger im Fokus. Handelt es sich deshalb um ein „ungetragenes Kleid des bayerischen Volkes“, das unbeachtet im Schrank verstaubt und Gefahr läuft, von den Motten zerfressen zu werden? Diesem Verdacht möchte ich im Folgenden entgegentreten … |
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„Der widerspenstige Freistaat“ – Die Rolle Bayerns im
Bund Bayern – widerspenstig? Der langjährige Parlamentsjournalist Bernhard Ücker, der Bayerns Nachkriegspolitik bis in die 1990er-Jahre begleitete, hat diese Metapher erfunden. Der Titel seines erstmals 1967 erschienenen Buchs, „Bayern – der widerspenstige Freistaat“, fand große Resonanz. Widerspenstigkeit wogegen? Ückers Buch zeigt im Kern: gegen Zentralismus und Konformismus. So gesehen würde eigentlich eine andere Eigenschaft den Freistaat charakterisieren, die im Alltag wie in der Politik nur positiv verstanden werden kann: Eigenständigkeit. Diese aber ist eine Basis für Kooperationsfähigkeit und zugleich eine Schranke gegen Anpassung und Konformität. Eigenständigkeit ist die Conditio sine qua non des Föderalismus, der staatsrechtlich auf der Eigenstaatlichkeit der Gliedstaaten gründet. Eigenstaatlichkeit ohne Eigenständigkeit? Bundesstaatlichkeit ohne Einschränkungen der Souveränität der Glieder? Beide Fragen eröffnen einen rechtlichen und einen praktischen Gestaltungskorridor. ... |
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Aufmucken – Protest in Bayern Es ist der 4. Februar 1985: Die „Deutsche Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen“ (DWK) entscheidet sich nach jahrelangem politischem Tauziehen zwischen Niedersachsen und Bayern für die oberpfälzische Gemeinde Wackersdorf als Standort der ersten atomaren Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) der Bundesrepublik. Ministerpräsident Franz Josef Strauß erwartete angesichts des ländlichen Charakters der Gegend eine ebenso rasche wie ungestörte Realisierung des Projekts – eine kolossale Fehleinschätzung, entwickelte sich „Wackersdorf“ doch zum wohl bekanntesten Fall bürgerschaftlichen Protests im Bayern der Nachkriegszeit ... |
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Gefecht mit Worten – Der politische Aschermittwoch Seinen Ausgangspunkt nahm der so genannte politische Aschermittwoch im niederbayerischen Vilshofen. Dort fand seit dem 16. Jahrhundert alljährlich am Aschermittwoch ein Warenmarkt statt, später auch ein Viehmarkt. Ab 1883 kam zu dem üblichen Angebot eines Viehmarkts mit Rindern, Schweinen, Pferden ein Taubenmarkt hinzu. Die Ausweitung des Angebots auf Geflügel führte zu einer noch höheren Attraktivität des Marktes und in den folgenden Jahren zu einem Zuwachs bei den Besucherzahlen. Dass es sich dabei auch nach heutigen Maßstäben um nicht wenige Besucher handelte, zeigt ein Zeitungsbericht aus dem Jahr 1908: „Welch riesiger Verkehr dahier am gestrigen Aschermittwoch-Viehmarkt herrschte, dafür sprechen am besten folgende Zahlen: Auf der hiesigen Bahnstation wurden für die Richtung Plattling und Passau 1500 Fahrkarten und für die Lokalbahnen Vilshofen–Ortenburg und Vilshofen–Aidenbach je 1000 Fahrkarten, also in Summa 3500 Fahrkarten ausgegeben.“ (Vilshofener Amts- und Wochenblatt vom 6.3.1908) ... |
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