Die Weiterleitungsstelle des Landesarbeitsamts Südbayern im Bunker unter Gleis 11
Ein Bericht von Kurt Spennesberger

Das Ziel war es, die Gastarbeiter nach einem kurzen Zwischenstopp in München auf dem schnellstmöglichen Weg in ihre Zielorte im ganzen Bundesgebiet zu bringen. Bereits Tage vor der Ankunft des jeweiligen Sonderzugs übermittelten die Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit aus dem Anwerbeland per Fernschreiber auf meterlangen Listen für jeden avisierten Gastarbeiter einzeln den Zielort und die Auftragsnummer für die weitere Abwicklung. Mithilfe dieser Vorabinformationen wurden für die Weiterfahrt ab München zum Zielort über das Amtliche Bayerische Reisebüro die Fahrkarten und die dazugehörigen Zeitzettel bestellt sowie die Zugfolgelisten geschrieben und vervielfältigt.

In den Anfangsjahren (1955–1960) wurden von der Dienststelle in Verona Zielorte, Arbeitgeber und die jeweilige Anzahl der ankommenden italienischen Arbeitnehmer telefonisch an die Weiterleistungsstelle in München durchgegeben.

Bevor sich ein Sonderzug aus einem der Anwerbeländer in Bewegung setzen konnte, war viel Vorbereitungsarbeit zu leisten. Reiseleiter, die zur Begleitung der Sammelreisen nach Italien (ab 1955 für Italiener anfänglich ab Mailand, später ab Verona bzw. ab Rom sowie ab 1960 für Griechen), nach Jugoslawien oder in die Türkei gesandt wurden, waren einzuteilen, Dienstreisegenehmigungen zu erteilen, Fahrkarten oder Flugtickets zu bestellen, Platzreservierungen vorzunehmen. Für Unterkunft und Verpflegung sorgten die Reiseleiter am jeweiligen Zielort im Ausland selbst. Meist übernahmen diese Aufgabe ohnehin „alte Hasen“, die sich vor Ort gut auskannten.

Die Auslandsdienstreisen der Reiseleiter waren alles andere als Vergnügungsfahrten, musste man doch auf vieles gefasst sein. So geschah es im Bahnhof Sirkeci in Istanbul, dass ein Küchenjunge auf das Dach des Speisewaggons kletterte, um den Rauchabzug aufzurichten. Dabei berührte er mit seiner Kochmütze die Oberleitung; er war sofort tot.

Ein andermal fuhr in Sofia ein Güterzug auf den stehenden Sonderzug aus Istanbul auf, ein Gastarbeiter kam ums Leben. In Belgrad kam es nach einem mehrstündigen Aufenthalt des Sonderzugs zu einer wilden Schießerei. Entgegen den Anweisungen des Reiseleiters stiegen einige türkische Gastarbeiter aus dem Zug und kehrten nicht rechtzeitig zur Abfahrt zurück. Folglich fuhren sie mit einem Taxi quer durch Belgrad dem Zug, der die Stadt in einem Bogen umfuhr, hinterher um ihn wieder zu erreichen. Mangels Bargeld in jugoslawischer Währung boten sie dem Taxifahrer Gold und Uhren als Bezahlung an. Das Angebot wurde abgelehnt, die Türken ließen die angebotenen Dinge dennoch im Taxi zurück, eilten zum Sonderzug und sprangen auf den bereits anfahrenden Zug auf. Der Taxifahrer feuerte mit einem Revolver den Davoneilenden hinterher und verfehlte nur knapp den Kopf des Reiseleiters. Verletzt wurde niemand.