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Historische Wirtshäuser -> Schlosstaverne Offenberg

Schlosstaverne Offenberg -- LEIDER DAUERHAFT GESCHLOSSEN --

WER VON REGENSBURG Richtung Passau fährt und das alte Bayern erfühlen will, dem sei ein Halt in Offenberg ans Herz gelegt: ein altes Hofmarksdorf bekrönt von der barocken Schlossanlage über dem Donautal. Sie steht auf den mittelalterlichen Fundamenten einer Ministerialenburg der mächtigen Grafen von Bogen. Sie prägten das Donauland um ihren Stammsitz Bogen, heute ersetzt durch die berühmte Wallfahrt, und ihre Hausklöster Oberalteich und Windberg. Ganz in der Nähe von Offenberg liegt Metten, eines der Urklöster des Benediktinerordens in Bayern – alle im alten Landgericht Mitterfels – die adel- und hofmarkreichste Region Bayerns – Heimat des Rautenwappens. Hier herrschten die alten Rittergeschlechter der Grafen von Bogen noch Jahrhunderte nach dem Aussterben ihrer Herren (1242) und trugen deren Widerständigkeit weiter – die Sattelbogener und Nußberger als Feinde Kaiser Ludwigs des Bayern, die Ecker von Eck als treue Verbündete Kaiser Karls IV. gegen die Wittelsbacher, die Böckler und Löwler im Aufstand gegen Herzog Albrecht IV. von Bayern und viele andere mehr.

Sie alle waren einmal Herren von Offenberg. Lustigerweise haben auch die Erforscher der Grafen von Bogen und ihrerRitter mit Offenberg zu tun: die beiden Mettener Patres Abt Benedikt Braunmüller (+ 1898) und Wilhelm Fink (+ 1965), der in Offenberg 40 Jahre Pfarrer und viele Jahre Heimatpfl eger im Landkreis war, der unvergessene Archivar des Hauses Thurn und Taxis Max Piendl (+ 1989), der als Alterswerk den Historischen Atlas zum Landgericht Mitterfels hinterließ, und auch meine Wenigkeit. Ich habe vor allem mit der Taverne zu tun. Als Bub und dann junger Student begleitete ich meinen Vater, Metzgermeister in Hengersberg und Heimatpfl eger des Landkreises Deggendorf, öfters nach Offenberg – wo zuerst der Deggendorfer Arzt Sigi Molz und dann das Ehepaar Hella und Heribert Engl 1978 bzw. 1986 ein echtes Jahrhundertwerk in Angriff genommen hatten – die Sanierung der alten Hoftaverne. Ohne sie würde dieses herausragende Denkmal nicht mehr stehen.

HERAUSRAGEND IN ZWEIERLEI SINN – die Hofmarkstaverne aus dem 16. Jahrhundert ist ein eminent stattliches Gebäude mit steilem Satteldach. Von der Dimension her steht es den großen gemauerten Lagerstadeln in den Donaustädten Regensburg, Straubing oder Passau kaum nach. Hinzu kommen jüngere Nebengebäude, die den Wirtsgarten umschließen und ihn zum Innenhof erheben. 2002 wurde er mit seinem alten Kastanienbaumbestand zum schönsten Biergarten des Landkreises Deggendorf gekürt. Konkurrieren kann er mit jedem Wirtsgarten in Bayern. Die Mettener Patres erhoben ihn in himmlische Sphären. Pater Eberhard Streibl rechnete ihn zu den »Vorhöfen des Himmels« – theologisch nicht ganz einwandfrei, weil himmlische Vorhöfe bis dahin unbekannt waren. Aber selbst kritische Theologen werden den Mettener Kollegen verstehen, wenn sie den Wirtsgarten betreten, spätestens, wenn sie auf der Holzkegelbahn eine Runde spielen.

Herausragend zum Zweiten: Die Anlage dokumentiert die Geschichte bayerischer Gastlichkeit und Kultur über 400 Jahre. Begonnen hat es mit einem Multifunktionsbau – die Taverne war herrschaftlicher und kultureller Mittelpunkt der Hofmark. Hierher wurden die Naturalabgaben an die Schlossherren geliefert, eingelagert und weiterverarbeitet. Denn verbunden mit dem Tavernrecht waren Brau und Brennrecht sowie Backgerechtigkeit. Wir reden hier also von einer »Wirtschaft« im kombinierten Amts- und Brauhaus mit Landwirtschaft, Bäckerei, Gaststube und Festsaal. Gigantisch sind die Keller, heute noch mit eigenem Brunnen, der früher das Brauwasser erbrachte. Der Eiskeller mit seinen meterdicken Mauern zeugt noch von den Zeiten, in denen das im Winter geschlagene Eis den Sommer über das Bier kühl hielt. Steil ist die Kellertreppe und erschließt wieder den alten Trinkspruch »Sauf ma uns zamm!« Wegen einer Maß ging die Kellnerin nicht in den Keller, der Weg musste sich schon rentieren. Hier in der Taverne hatten sich bei Strafandrohung die Hofmarksuntertanen mit Bier und Schnaps zu versorgen. Hier war auch zu feiern: die Tauf’, die Hochzeit und der Leichenschmaus; traditionelle Speis’ bei der Leich’: das Lingerl (oberbayerisch Lüngerl), weil es schnell zu kochen, leicht warm zu halten und im Notfall zu strecken war. Deshalb befi ndet sich im ersten Obergeschoss der Taverne der beeindruckend große und schöne Saal. Selbstverständlich wurde hier auch zum Tanz aufgespielt, der nach den Gerichtsprotokollen des Landgerichtes Mitterfels durchaus auch in einer wüsten Rauferei enden konnte.

FESTIVITÄTEN WAREN ABER die Ausnahme; der Regelbetrieb fand in der Gaststube im Erdgeschoss statt. Sie erreichte man über die Fletz (Hausgang) mit ihren großen Granitplatten und die Rauchkuchel. Heute mutet die Gaststube gemütlich und heimelig an und wird den Wirtsleuten sicher oft zu klein. Damals brauchte man sie nicht größer, weil im Winter ein kleiner über die Kuchel warmer Gastraum eben gescheiter war als ein großer kalter. Nicht nur der Gastraum, die gesamte Wirtschaft ist wunderbar hergerichtet – mit Liebe und Sachverstand, heimischen Materialien, freundlich und unaufdringlich, fern von oberbayerischer Jodelkultur, die seit den 1950er Jahren auch Niederbayern und selbst Offenberg überschwemmt hat. Die Schlosstaverne ist ein echtes Stück Niederbayern, für das die Familie Engl völlig zu Recht den Denkmalpreis der Hypo-Kulturstiftung erhalten hat. Verdient hätte sie alle Denkmalpreise der Welt. Gäbe es eine niederbayerische Ehrenmedaille, ich würde dafür zuerst diese beiden Münchener vorschlagen. 1994, als das Anwesen zum Verputzen anstand und die alte Sonnenuhr zum Vorschein gekommen war, sagten die Engls gegenüber der Passauer Neuen Presse: »Das wird Niederbayerns schönstes Wirtshaus«; mindestens – möchte man heute kommentieren.

Viele Baudetails gäbe es noch zu würdigen, aber es ist jetzt Zeit – verzeihen Sie dem Historiker seine Weitschweifi gkeit – zum Essen zu kommen. Der neue Pächter und alte Küchenchef Alex Attenberger bietet echte niederbayerische Küche, regional und saisonal, mit einem Hauch mediterraner Inspiration – passend zum bodenständigen Anwesen und dessen himmlischen Gastgarten. Es gibt zusätzlich zum regulären Angebot eine Wochenkarte und eine Tafel des Tages. Im Biergarten werden natürlich auch Brotzeiten und kleinere Speisen gereicht. Wir speisten ein »echtes« Wiener Schnitzel aus der Pfanne; eine Anlehnung an die österreichische Küche, die sich auch in den vorzüglichen Nachspeisen wie Kaiserschmarrn und Mohr im Hemd ausdrückt. Kalt gepresstes Olivenöl und Balsamico passen wunderbar zu den üppigen Salaten, die wie das Gemüse von biologischen Betrieben aus der Region stammen. Dazu werden Wachauer und italienische Weine serviert – immerhin war in Offenberg vor der »kleinen Eiszeit« um 1500 auch Wein angebaut worden. Den Biertrinkern seien die Spezialitäten aus der nahen Irlbacher Brauerei der Grafen von Bray-Steinburg ans Herz gelegt.

MEIN BESONDERER TIPP: ein Tagesausfl ug auf den Bogenberg mit Blick auf den Gäuboden, Besichtigung der Klosterhofmark Windberg, der Oberalteicher Klosterkirche und der Mettener Klosterbibliothek und als krönenden Abschluss in den Gastgarten der Schlosstaverne Offenberg. Wenn Sie im »Vorhof des Himmels« sitzen, trinken Sie auf das himmlische Wohl meiner verstorbenen Kollegen. Sie werden dann verstehen, warum wir uns in einem immer einig waren: Das Herz Bayerns schlägt an der niederbayerischen Donau.

Text: Richard Loibl