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Historische Wirtshäuser -> Naturhotel und Landgasthaus Gidibauer Hof

Naturhotel und Landgasthaus Gidibauer Hof

EIGENTLICH MÜSSTE der Münchner nicht nach Hauzenberg fahren, denn er hat viel Hauzenberg in seiner Stadt. Meistens steht er drauf: Hauzenberger Granit war der Rohstoff für die frühen Straßenpflaster, die ab etwa 1850 Transit und Verkehr wesentlich erleichterten. In der Neuhauser Straße liegen die Hauzenberger Pflastersteine bis heute.

Erhabener sind die Granitsäulen am rückwärtigen Eingang der Ludwig-Maximilians-Universität in der Amalienstraße. Sie haben hier gewissermaßen eine Zweitverwendung gefunden. Ursprünglich hatte sie der Hofarchitekt Friedrich von Gärtner im Auftrag König Ludwigs I. für die Befreiungshalle in Kelheim bestellt. Freilich – der Bau zog sich hin, der Architekt verstarb und sein Nachfolger, Leo von Klenze, hatte kein Interesse, die Pläne des ungeliebten Vorgängers fortzusetzen. Deshalb blieben die Säulen im Hauzenberger Freudensee- Bruch liegen, bis sie der findige Unternehmer Josef Kinadeter aus königlichem Eigentum erwarb und nach der Erschließung Hauzenbergs durch die königlich-bayerische Staatsbahn 1908 für die Erweiterung der Universität verkaufte.

DIE RESTLICHEN SÄULEN waren unverkäuflich. So ließ sie Kinadeter zu Straßenpflaster für die großen bayerischen Städte verarbeiten. Übrigens zog er selbst nach München und zählte zu den Reichsten der Stadt, bis ihn Inflation und Wirtschaftskrise dorthin zurückbeförderten, wo er hergekommen war. In Hauzenberg erinnert an ihn eine halbe Säule aus demselben Bestand, die – im Steinbruch vergessen – jetzt ihre Aufstellung vor dem neuen Granitzentrum Bayerischer Wald gefunden hat. Aus dem alten Kinadeter-Bruch heraus wächst das architektonische Meisterwerk der Gebrüder Brückner aus Tirschenreuth und zeigt in seinen Bauformen die verschiedenen Bearbeitungsstufen des Granit. Er ist der bayerische Stein schlechthin (gut, es gibt ihn auch in Franken, aber den meine ich hier nicht). Hauzenberger Steinhauer sagen, dass der Waidler es spürt, wenn er auf Granit steht. Ich habe es ausprobiert, aber nichts gespürt, was freilich damit zusammen hängen kann, dass ich kein echter Waidler bin, sondern nur aus dem Gäuboden. Ansonsten findet sich alles Wissenswerte zum Granit im schon genannten Zentrum multimedial aufbereitet.

DASS SICH EIN AUSFLUG hierher lohnt, liegt neben dem neuen Granitzentrum auch an dem wenige hundert Meter unterhalb des Zentrums gelegenen Gidibauer-Hof. Dieses denkmalgeschützte Wirtshaus, ein Granittempel, bietet seit langem qualitätsvolle regionale Küche. Einen aktuellen Test für die aviso Leser habe ich mir mit meiner Frau und drei niederbayerischen Kollegen, dem Fotografen Dionys Asenkerschbaumer, dem Verleger Dietmar Klinger und dem Kulturunternehmer und Erfinder des Granitzentrums Dr. Winfried Helm, durchgeführt.

WIR HABEN DAS legendäre Gidibauer-Schnitzel in Senfpanade mit Kartoffel-Gurkensalat , den Schweinsbraten mit Knödel, das Kalbsgulasch und den Polentastrudel mit Gemüse, Rucola und frischem Parmesan getestet und fanden das Preis- Leistungsverhältnis sehr stimmig. Die bodenständige Küche überzeugt vor allem durch die verwendeten hochwertigen regionalen Produkte. Dies gilt auch für die Nachspeise. Wir probierten Grießpflanzerl mit Kirschragout und Pistazieneis, die wir in alter niederbayerischer Tradition gemeinsam von zwei Tellern verspeisten. Insgesamt fanden wir alle die Küchenkunst überzeugend und gschmackig.

Besonders hervorzuheben ist das Ambiente des Baudenkmals, in dem wir das kulinarische Erlebnis noch mehr genossen haben. Der unregelmäßige Vierkanthof wurde 1816 bis 1850 von Jakob Ertl in ländlicher Steinbauweise mit viel Granit errichtet. Der mächtige Hof erlebte nach dem Zweiten Weltkrieg nicht immer gute Zeiten. Eine »Geschwister-Wirtschaft« ließ Investitionen ausbleiben, was freilich dazu führte, dass der Vater des jetzigen Hofbesitzers seine Vorstellung, die alte Scheune abzureißen und den Innenhof »schön zu teeren« nicht realisieren konnte.

SOMIT WAR DIE Originalsubstanz noch umfangreich, als sich die nächste Generation der Familie Ertl 1988 an die Generalsanierung machte. Sie wurde in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege durchgeführt und entsprechend gefördert. Den fachmännischen Rat der Denkmalpfleger weiß Herr Ertl senior nicht nur im Rückblick zu schätzen. So ist der eine oder andere einst gehegte Wunsch als dem Charakter seines Hofes unangemessen unerfüllt geblieben und der Betrachter ist froh, dass dem Gidibauer Hof die Barockisierung im oberbayerischen Jodlerstil erspart geblieben ist. Sogar die Haus- pietà – datiert auf das Jahr 1720 – soll demnächst fachmännisch restauriert werden – 1960 war die Figur von einem Fassmaler ziemlich »dabatzt« worden. Dass die Denkmalpfleger bei der Sanierung auch das eine oder andere Auge zugedrückt haben, zeigen die gestatteten und teilweise nicht unerheblichen Eingriffe in die Substanz – beispielsweise im Ochsenstall- ebäude, das zum Gästetrakt umgebaut wurde; der Gidibauer Hof verfügt dadurch über 18 Gästezimmer.

DURCH DIE KOMBINATION von L andwirtschaft, »Urlaub auf dem Bauernhof« durch Gästehaus und Gasthaus-Betrieb wurde das neue wirtschaftliche Konzept der Ertls nicht nur umsetzbar, sondern erfolgreich. Die Denkmalpflege hat hierzu ihren Beitrag geleistet, die überregionale wie die regionale. Die Passauer Neue Presse sorgte, so Herr Ertl senior, von Anfang an für das Florieren des Betriebes, sodass seit der Eröffnung des Gasthauses 1996 keine Durststrecke zu überwinden war. Neben dem originalen Bayerwald- Ambiente bilden die Basis des Erfolges natürlich die Kochkünste von Herrn Ertl junior, der sein Handwerk u.a. im renommierten Hotel Wilder Mann in Passau erlernt hat.

Der Gidibauer Hof wird auf diese Weise erhalten bleiben und mit neuer wirtschaftlicher Konzeption neuen Ertl-Generationen die Existenz in ihrer Heimat ermöglichen. Für die Besucher aus den globalisierten bayerischen Zentren bietet er in Verbindung mit dem Granitzentrum ein herausragendes und empfehlenswertes Ausflugsziel im Vorderen Bayerischen Wald, dem alten Land der Abtei unweit der Bischofsstadt Passau.

Text: Richard Loibl
Fotos: Dionys Asenkerschbaumer