"...wider Laster und Sünde" - Augsburgs Weg in der Reformation

Ausstellung des Hauses der Bayerischen Geschichte in Augsburg, St. Anna,
vom 26. April bis 10. August 1997

Materialien zur Vor- oder Nachbereitung des Ausstellungsbesuchs
Zeittafel zur Reformation in Augsburg und dem Reich
1515 Papst Leo X. verkündet Ablaß zugunsten des Petersdoms in Rom
1517 Luthers 95 Thesen zum Ablaßwesen werden als Druck verbreitet
1518 Disputation Luthers mit Kardinal Cajetan in Augsburg
ab 1518 Luthers Schriften zu allen Themen christlicher Religiosität werden in rascher Folge veröffentlicht und dank des Buchdrucks weit verbreitet; dabei ist Augsburg (insgesamt ca. eine halbe Million Exemplare mit Höhepunkt 1520) nach Wittenberg zweitwichtigster Druckort
1519 Wahl Karls V. zum Kaiser unter erheblicher finanzieller Unterstützung durch die Augsburger Handelshäuser der Fugger und Welser
1520 Luther verbrennt die Bannandrohungsbulle
Der Augsburger Bischof Christoph von Stadion läßt die Bannandrohung nach längerem Zögern durch den neu berufenen Prediger Urbanus Rhegius verkünden
1521 Bannspruch des Papstes gegen Luther
Verhör Luthers auf dem Wormser Reichstag; danach Flucht auf die Wartburg; Wormser Edikt (Reichsacht über Luther)
Wormser Edikt wird in Augsburg ohne großes Echo verkündet; Urbanus Rhegius gibt sich als Anhänger Luthers zu erkennen und muß die Stadt verlassen (Rückkehr 1524)
1523 Erste öffentliche Hochzeit eines Predigers in Augsburg trotz Verbots des Rates
1524 Tumulte um den Augsburger Barfüßermönch Johannes Schilling; Politisierung der religiösen Frage
Erstmals werden vier - unterschiedlich ausgerichtete - evangelische Prediger offiziell vom Augsburger Rat angestellt (Rhegius, Keller, Frosch, Agricola)
1527 Versuch einer Einigung der protestantischen Prediger in Augsburg über das Verständnis vom Abendmahl
Treffen der Täufer in Augsburg; hartes Eingreifen der Obrigkeit Verhaftungen, Zwangsbekehrungen, Hinrichtungen)
1529 Protestation der evangelischen Stände auf dem zweiten Speyrer Reichstag;
Augsburg beteiligt sich nicht
1530 Augsburger Reichstag: festlicher Einzug des Kaisers; auf seinen Befehl Ausweisung aller evangelischer Prediger, Kontrolle des religiösen Lebens in seinem Sinne. Vorlage des Augsburger Bekenntnisses (Confessio Augustana) durch die Mehrzahl der protestantischen Stände, der Confessio Tetrapolitana durch Straßburg, Memmingen, Lindau und Konstanz. Stadt Augsburg vermeidet Parteinahme, nähert sich erst am Ende des Reichstags der evangelischen Seite an.
1531 Gründung des protestantischen St. Anna-Gymnasiums in Augsburg
ab 1531 Oberdeutsche, zwinglinahe Reformationsrichtung unter Führung von Bucer setzt sich in Augsburg durch. Wolfgang Musculus kommt für 17 Jahre in die Stadt. Wunsch nach durchgreifender Reformation verstärkt sich
1534 Großer Rat beschließt Einführung der Reformation in Augsburg; katholischer Gottesdienst nur noch in acht Kirchen
1536 Augsburg wird Mitglied im Bündnis der evangelischen Reichsstände, dem 'Schmalkaldischen Bund'
Unter Führung von Musculus tritt Augsburg der Wittenberger Konkordie bei (Kompromiß zwischen oberdeutscher und sächsischer Abendmahlsauffassung)
1537 Vollständige Einführung der Reformation in Augsburg durch die Stadtregierung: Abschaffung der altgläubigen Messen und Gottesdienste, Auflösung der Klöster, 'Bildersturm', Exil der altgläubigen Geistlichen
1543 Otto Truchseß von Waldburg, strikter Anhänger von Papst und Kaiser, wird Nachfolger des verstorbenen Augsburger Bischofs Christoph von Stadion
1546 Im Schmalkaldischen Krieg versucht Augsburg - letztlich vergeblich -, sein Einflußgebiet auszudehnen und die Reformation im Umland durchzusetzen
1547 Nach der Niederlage im Schmalkaldischen Krieg unterwirft sich Augsburg dem Kaiser
1547/48 "geharnischter Reichstag" in Augsburg
1548 Einführung des Interims: Katholiken erhalten alte Rechte und Besitzungen - auch in Augsburg - zurück; Einschränkung des evangelischen Gottesdienstes und der evangelischen Lehre; Musculus flieht aus der Stadt Einführung der Patriziatsverfassung in Augsburg mit weitgehender Entmachtung der Zünfte und Bevorzugung der katholischen Minderheit
1552 Fürstenbund bringt Karl V. in Bedrängnis; Passauer Vertrag beendet praktisch das Interim
1555 Reichstag beschließt Augsburger Religionsfrieden: Anerkennung der evangelisch-lutherischen (nicht der reformierten) und der katholischen Konfession; Bikonfessionalität für Augsburg, d.h. für Protestanten nunmehr lutherische Ausrichtung; paritätische Besetzung der politischen Ämter


Ausschnitte aus Quellentexten

Aus dem Reformationsmandat der Reichsstadt Augsburg vom 29. Juli 1534 (vgl. Kat. 68 / Text dem heutigen Sprachgebrauch angepaßt):

Nachdem ein ehrsamer Großer Rat dieser Stadt Augsburg betrachtet hat, wie merklich die Ehre Gottes durch die widerwärtigen Lehren beeinträchtigt wird, die Gewissen der Gutherzigen beschwert werden und der gemeine Mann entweder in den Irrtum oder doch zum wenigsten in einen gefährlichen Zweifel geführt wird [...], wodurch allerlei Folgen, besonders Unruhe unter der Stadtgemeinde, Zerrüttung der Bürgerschaft und zuletzt unwiederbringlicher Schaden an dieser Stadt zu besorgen gewesen wäre, wenn solche schwebenden Widerwärtigkeiten, Gefahren und Unrat durch die Gnade des Allmächtigen nicht abgewendet werden, so hat erwähnter Rat als christliche Obrigkeit und Diener Gottes [...] die Spaltung der sich widersprechenden Prediger allhier abgestellt, alle und jede Prediger, die nicht von ihm aufgestellt, die auch wider das klare Wort Gottes (wie es beweisbar und offenbar ist) gelehrt haben, die deshalb mit den Prädikanten des Rats über die Verkündung und Auslegung des Evangeliums uneinig sind und sich doch mit ihnen nie zu einem Vergleich in einem gemeinsamen christlichen und brüderlichen Gespräch bereit erklärt haben (wie es oft an sie herangetragen wurde), entlassen, ihnen geboten, mit ihrer Lehre stillzuschweigen und an ihrer Stelle Prediger aufgestellt und verordnet, um [...] allein das reine, lautere Wort zu lehren und zu predigen [...].

Auszug aus der Bestallungsurkunde des Prädikanten Dr. Michael Weinmeier mit Auflistung seiner Pflichten (vgl. Kat. 69 / Text dem heutigen Sprachgebrauch angepaßt.)

Ich, Michael Weimmar von Lindenfels, bekenne hier mit diesem Brief und tu allen kund, daß die vorsorglichen, ehrsamen und weisen, meine günstigen und gebietenden Herren Bürgermeister und Räte der Stadt Augsburg mich zu einem Prädikanten, Lehrer der hiesigen christlichen Kirche und Diener berufen, bestellt und aufgenommen haben; dergestalt, daß ich jeder Zeit überall hier in Augsburg, wann und wo es ihnen gefällt und es mir von ihnen vorgeschrieben wird, das heilige Evangelium und reine Wort Gottes lauter verkünden [soll], die heilige Schrift [...] auslegen und erklären [soll]; [daß ich] daneben das Übel, wie es nottut, bekämpfen [soll und], wie es einem getreuen christlichen Prädikanten geziemt, sanftmütig und zurückhaltend strafen und von der Kanzel jeden in der Gemeinde, aber weder mit Namensnennung noch mit Andeutung bestimmter Personen, vor allen falschen Gottesdiensten, Lastern und Sünden [warnen] und zum wahren Gottesdienst und allen löblichen Tugenden ermahnen [soll] [...]

Texte von Wolfgang Musculus zu verschiedenen Themen aus seiner Augsburger Zeit (auf der Ausstellung in Ton und Schrift zugänglich; nach Kat. 116)

Verführerischer Gottesdienst:
Zum andern haben sie [d.h. die römische Kirche] ain gleissenden gottesdienst angericht, welchen sie in eissere zirden, gold, silber, seiden, kirchen, glocken, altar, bilder, kertzen prennen und dergleichen pracht gestellt, darzue mess, vigilien, seelenmessen und gesang mit orgeln und pfeiffen angericht, daran sich die weld vergafft und die menschen velschlich dahin beredt worden, dass sie ir hab und guet oft iren natürlichen erben enttzogen und den pfaffen geben haben, damit solcher gleissender gottesdienst underhalten und gemeret wurdt, dann nichts so gross und schwer ist, das wir uns nicht gern lassen ufladen, wann wir nur die alte haut nit ausziehen und das leben nach der ler Christi durfen anrichten.
Arm und reich:
Es kan der Reich am armen dem Allmächtigen wol dienen. soll es auch in disen schweren leüffen treülich unnd mit guttem willen thun und dencken / es habe jm Gott sein hab und gut weder zum uberfluss noch zur untrew / sonder zu seines nechsten notturfft gegeben. Herwiderumb kan der arm dem Reichen in disen läffen auch seer vil nutzen und in vil weg breüchlich sein. Ach wie fein stünde es / wann bede thail die hende zusamen gebent / und ainander mit Christlicher brüderlicher trew gemaintent?
Mensch:
Es hat ewer ain yeder etwas guts / Doch mit angehencktem mangel / wie sichs dann gemainlich under uns menschen findet. Niemandts ist volkommenlich wie er sein soll. Gut were, das ain yeder sein aignen mangel an ihm unnd was gutts an seinem nechstnn were / erkandte / so kündten wir ainannder duldenn und dabey auch ye einer den andern underwisen.
Müßiggang und Gottvertrauen:
Gott will den menschen helffen / aber nit den müssigen unnd liederlichen sonnder den emsigen und arbaitenden. Mainestu er werde ainem liederlichen faulen bauren seinen unerpawnen und ongesegneten acker fruchtbar machen / wann er schon lang sagt / Ey es wirts Gott wol machen? freylich nit. Er will das wir wachen / sorgen / arbaiten und schaffen / doch im glauben und trauwen zu jm / das gedeyen will er geben.

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