Reformen in Bayern "Der sicherste Beweis dafür, dass Bayern das irdische Paradies Deutschlands ist, liegt in der Tatsache, dass diese Provinz ... bisher imstande gewesen ist, eine Regierung zu ertragen, die allgemein als die schlechteste aller schlechten Regierungen Europas anerkannt ist."' Dieses Zitat stammt aus dem Jahr 1796, dem Zeitpunkt der Entstehung des Ansbacher Mémoires und bezieht sich auf die Missstände in Verwaltung und Beamtenapparat des Kurfürstentums Bayern in den letzten Regierungsjahren des Kurfürsten Karl Theodor. Der Verfasser des Mémoires, Maximilian Joseph Freiherr von Montgelas, war damals führender politischer Berater des Herzogs Max Joseph von Zweibrücken, der infolge des 1797 geschlossenen Ansbacher Hausvertrags die Nachfolge des erbenlosen Karl Theodor antreten sollte. Montgelas kannte als ehemaliger Hofrat in München die Verhältnisse im Regierungssystem, in der Behördenorganisation und im Beamtenwesen genau und entwarf bereits 1796 ein Programm für umfassende innere Reformen, mit denen Bayern nach dem Tod Karl Theodors zu einem modernen und effizient verwalteten Staatswesen umgeformt werden sollte. Die Nachfolge des zweibrückischen Herzogs trat im Februar 1799 ein. In der bayerischen Bevölkerung wurden große Erwartungen mit der neuen Regierung verknüpft, von der man sich einen Reformschub erhoffte. Der neue Kurfürst Max IV. Joseph leitete sofort erste Maßnahmen in der Behördenorganisation ein und machte seinen bisherigen Berater Montgelas zum Außenminister. Die Reformpolitik der folgenden Jahre stand unter großem inneren und äußeren Druck. Die durch Säkularisation und Mediatisierung nach 1803 neu gewonnenen Territorien mussten in den bayerischen Staat eingegliedert werden. Der katastrophale Zustand der Staatsfinanzen erforderte eine Steuerreform und eine Neuordnung der Finanzverwaltung. Mit dem Eintritt Bayerns in den Rheinbund im Jahr 1806 wuchsen die militärischen, finanziellen und wirtschaftlichen Belastungen durch die Anforderungen, die Napoleon an seine Verbündeten stellte. Gleichzeitig suchte der französische Kaiser Einfluss auf die inneren Verhältnisse der Rheinbundstaaten zu nehmen, um sie dem französischen Verwaltungs- und Rechtssystem möglichst anzugleichen und damit sein Hegemonialsystem zu stabilisieren. Montgelas kam solchen Eingriffen durch eine eigenständige Reformpolitik zuvor, die sich zwar weitgehend am französischen Vorbild orientierte, aber auch seinen eigenen Konzepten entsprach und den innenpolitischen Realitäten Rechnung trug. Im Inneren führten Max Joseph und Montgelas das im Mémoire vorgeschlagene Reformwerk zusammen mit einem Kreis gleichgesinnter, von Montgelas ausgewählter Personen zielstrebig durch. In einer beispiellosen "Revolution von oben" gestaltete Montgelas das gesamte bayerische Rechts-, Verwaltungs-, Bildungs-, Militär-, Wirtschafts- und Finanzsystem um. Ziel war eine zentralistisch ausgerichtete, hierarchisch aufgebaute, klar gegliederte staatliche Organisation der Ämter mit der Trennung von Recht, Verwaltung und Finanzen. Alle bisher noch eigenständigen Kräfte, wie die kirchlichen Gewalten oder die Landstände, wurden verstaatlicht. Der Staat von Montgelas´Muster stellte den alleinigen Herrschaftsanspruch. Als ausführende Organe und Repräsentanten dieses neuen Staates standen die Beamten ertsmals unter dem besonderen Schutz - nicht des Fürsten, sondern eigener Rechte. Sie galten nun als Staats- und nicht mehr als Fürstendiener. Ihre Ansprüche auf Gehalt und Altersversorgung waren gesetzlich festgelegt, als kein Gnadenbeweis mehr. So schuf sich der Staat ein gut ausgebildetes und ihm verpflichtetes Personal. Äußeres Kennzeichen dafür war die Beamtenuniform. Die am 1. Mai 1808 erlassene "Konstitution für das Königreich Baiern" fasste die wichtigsten ab 1799 durchgeführten Reformen zusammen und bot die Grundlage für die Fortentwicklung dieser Reformen durch "Organische Edikte" und andere Vollzugsvorschriften. Diese Verfassung mit ihren sechs Titeln und 45 Paragraphen trat am 1. Oktober 1808 in Kraft und kann zusammen mit den organischen Edikten als Etablierung des Mémoires im Staat angesehen werden.
|
|
|