Der persönliche Lebenszyklus

In der frühen Neuzeit unterschied sich das Leben
des einzelnen in wichtigen Zügen von dem,
was heute selbstverständlich erscheint.

Die Geburt war schon bei geringen Komplikationen
häufig Todesursache für Kind, Mutter oder beide.
Die Säuglingssterblichkeit lag bei 30 Prozent,
nur etwa die Hälfte der Kinder erlebte das Erwachsenenalter.

Während der Kindheit gab es zwar auch damals
schon einen eigenen Bereich für Spiel und Spaß.
Doch in den gehobenen Schichten hieß Kindsein oft,
daß man wie ein Erwachsener auftreten mußte.
Auch die Mitarbeit in Handwerk und Haus
führte früh in die Erwachsenenwelt ein.

Zu heiraten war nicht jedem erlaubt,
sondern setzte ein bestimmtes Einkommen voraus.
Konfessionelle und wirtschaftliche Gesichtspunkte
bestimmten in der Regel die Partnerwahl.
Obwohl Scheidungen bei den Protestanten möglich waren, blieben sie ebenso
selten wie konfessionell gemischte Ehen.

Grundsätzlich arbeitete man bis zum Tod;
in „Rente" oder „Pension" zu gehen war unbekannt.
Wer nicht mehr arbeitsfähig war,
benötigte die Unterstützung seiner Kinder.
Mit Glück und Beziehungen konnte man
einen der wenigen Altersplätze im Spital erhalten.
Das Krankheitsrisiko war in dieser Zeit hoch,
und viele Krankheiten führten zum Tod, auch solche,
die heute als harmlos gelten.

In den mittleren und oberen Schichten
protestantischer Städte betrug
die durchschnittliche Lebenserwartung
- wenn das 15. Lebensjahr einmal erreicht war -
bei Männern 57, bei Frauen 50 Jahre.
In der Unterschicht war sie geringer.
Gute Chancen, ein höheres Alter zu erreichen,
hatten Geistliche, Beamte, Kaufleute und Wirte.
Krankheit und Tod waren
alltägliche Ereignisse des Gemeinschaftslebens.
Man starb „öffentlich", umgeben
und getragen von tiefer Religiosität.
Das belegen viele Berichte,
insbesondere auch die in großer Anzahl
erhaltenen Leichenpredigten.

von Jenisch
Mathias von Jenisch (1716-1787)
(JPEG, 372x288, 33 KB)



von Jenisch
Mathias von Jenisch (1769–1771)
(JPEG, 237x297, 24 KB)



Schrank
Kabinettaufsatzschrank
(JPEG, 478x261, 30.5 KB)

Leichenpredigten bestehen aus einem Predigtteil
und einem biographischen Nachruf auf den Toten.
Beides ist meist recht schematisch gehalten,
betont die vielen Tugenden des Verstorbenen
und seine christliche Lebensführung.
Hinzu kommen oft Gedichte von Angehörigen
zu Ehren des Toten sowie manchmal die Noten
einer eigens komponierten Begräbnismusik.

Diese Form der Predigt ist auch Ausdruck
des gewachsenen Selbstbewußtseins
der wohlhabenden protestantischen Bürger.
In katholischen Gebieten blieben die wenigen
Leichenpredigten auf Adel und Klerus beschränkt.

Beispiele für Leichenpredigten

Öffentliches Leben Gerichtswesen

[Zurück] [I Reichsstädte] [II Neue Welten] [III Bauernkrieg]
[IV Das Evangelische] [V Dreißigjähr. Krieg] [VI Öffentliches Leben] [VII Lebenszyklus]
[VIII Gerichtswesen] [IX Schulen] [X Obrigkeit] [Katholiken]
[XII Jubiläen] [XIII Lebensalltag] [IVX Ende] [Zurück]