Beispiele für Leichenpredigten (Katalog Nr. 119, Seiten 189 - 192)

Leichenpredigt auf Jakob Jenisch (1574–1648)
(1648, Druck/Papier, 12,5 x 14,5, Memmingen, Wissenschaftliche Stadtbibliothek, 16°3,74)

Die vom Format her kleinste Leichenpredigt auf einen Memminger Bürger enthält, neben einem Titel- und einem Porträtkupfer von Wolfgang Kilian aus Augsburg, eine Fülle von biographischen Informationen. Demnach erblickte Jenisch in Augsburg als Sohn der „Fürnehmen" Jakob und Maria, geborene Sitzinger, das Licht der Welt. Der Knabe besuchte zunächst die Schule in Augsburg, später die Lateinschule in Memmingen und die Universität Tübingen, wo er, was eigens erwähnt wird, „mit wenigen Vnkosten viel studieret". 1598 hielt er sich eine „zeitlang" „auff den fürnehmbsten Vniversitäten" Italiens auf und machte ein Jahr später „mit grossem Lob" seinen Doktor an der Universität Basel. Bereits im Jahr 1600 bestellte ihn die Stadt Memmingen zu ihrem Advokaten, Syndikus und Konsulenten des Gerichts – eine hohe Ehre für den 26jährigen. 1601 oder 1602 heiratete Jenisch in Memmingen Sibylla Reuchlin von Meldeck, mit der er in 21 Ehejahren acht Kinder zeugte. Nach „seeligem Ableiben seiner ersten /geliebten Ehefrawen" nahm Jenisch 1623 die Johanna Jacobina Linck zu seiner zweiten Ehefrau.

Viel zu leiden hatte der Stadtadvokat in den unruhigen Zeiten des Dreißigjährigen Krieges. 1632 verschleppten ihn Soldaten der katholischen Liga das erste Mal. Mehrere Monate saß er in der bayerischen Festung Landsberg unter recht ungemütlichen Umständen, bis man ihn am 13. September 1632 freiließ. Zeitlebens sprach Jenisch wegen seiner glücklichen Errettung ein tägliches Dankgebet. Über die zweite Gefangenschaft meldet die Leichenpredigt: „Was er Anno 1633 hab außgestanden / als die Herren Burgermeister vnd der gantze Rath / sampt ihm vnd seinem Herrn Collega in das Tyrol gefangen hinweg geführet worden / vnd zween fürnehme Rathsherren ihr zeitliches Leben in solcher Gefangenschafft haben eingebüsset / dessen werden sich die andere / durch Gottes Gnad noch vberlebende Herren gnugsam zu erinnern wissen."

Nach kurzer Krankheit – er hatte eine „Enge" empfunden und lag zwei Wochen mit Geschwülsten an den Füssen zu Bett – starb Jacob Jenisch, nachdem er „Zuflucht vnd … Trost … in der "Gnade deß himmlischen Vatters" gefunden hatte.


Leichenpredigt auf Christoph Schorer (1618–1671)
(1671, Druck/Papier, 18 x 15, Memmingen, Wissenschaftliche Stadtbibliothek 4° 13,147)

Der 1671 verstorbene Christoph Schorer, Doktor der Philosophie und Medizin, ist für die Stadtgeschichte von Memmingen deshalb von besonderer Bedeutung, weil aus seiner Feder die erste gedruckte, auf Quellenmaterial basierende Geschichte der Stadt stammt. Sie trägt den Titel „Memminger Chronick / Oder Kurtze Erzehlung vieler denckwürdigen Sachen / die sich allda nicht allein vor alten / sondern auch zu jetzigen Zeiten / … zugetragen" und ist 1660 in Ulm erschienen.

1618 wurde Schorer in Memmingen als Sohn des aus Augsburg stammenden Syndikus Christoph Schorer und dessen Frau Catharina, geb. Waldner, geboren. Die Taufpaten belegen die angesehene Stellung der Eltern: Es sind dies der Bürgermeister Johann Jacob Jung von Memmingen und die Frau des Ulmer Bürgermeisters Heintzler. 1639 nahm Schorer an der Universität Straßburg das Studium der Philosophie, der Medizin und der „Mathematic oder Stern-Kunst" auf und setzte dieses ab 1643 in Basel fort. Nachdem er 1647 auf einer Reise nach Burgund die französische Sprache erlernt hatte, erhielt Schorer ein Jahr darauf beim Herzog von „Mümpelgart" (Montbeliard am Nordostrand von Burgund, damals eine zu Württemberg gehörige Grafschaft) eine Hofmeisterstelle. 1654 promovierte Schorer während einer Reise nach Venedig en passant in Padua zum Doktor der Medizin; eine Stelle als herzoglich-mümpelgartischer Leibmedicus schloß sich an. Im selben Jahr noch kehrte Schorer auf „vornehmer guter Freunden Zusprechen" nach Memmingen zurück, wo er bald Stadtphysicus, Schul- und Kirchenrat wurde und Maria Felicitas, Tochter des Memminger Bürgermeisters Eitel Sigmund Lupin, heiratete. Von den zehn Kindern aus dieser Ehe waren beim Tod des Vaters immerhin noch acht am Leben.

Der Leichenpredigt beigefügt sind zahlreiche Epicedien – unter anderem von Johann Conrad Herman, Rektor der Lateinschule und Pastor zu Berg, Großvater des 1793 verstorbenen Johann Georg Herman –, ein Trauergedicht und Noten.


Leichenpredigt auf Maria Müller, geb. Kölb (1608/09–1653)
(1653, Druck/Papier, 19 x 18, Memmingen, Wissenschaftliche Stadtbibliothek 4° 9,7.31)

Die Leichenpredigt auf Maria Müller ist das seltene Beispiel einer Leichenpredigt auf eine Angehörige der unteren Mittelschicht. Sie liegt bezeichnenderweise auch nicht in gedruckter, sondern nur in handgeschriebener Form vor.

Maria Müllers Herkunft bleibt seltsam im dunkeln. In der Leichenpredigt heißt es nur, sie sei „vor 45 Jahren von Christlichen Eltern alhie" geboren worden. Möglicherweise war sie das Kind einer illegitimen Verbindung oder eine Waise. Darauf könnte die Bemerkung deuten, sie sei ein „Kindt deß Zorns vnd der Vngnaden" gewesen, aber auch der gewählte Leichentext („Herr so du wilt kanst du mich wol reinigen") oder die Erwähnung ihrer Heirat, die ohne den sonst üblichen Hinweis auf den „Consens" der Eltern auskommt: „Vor 17 Jahren hat dieselbe mit Rath vnd That ihrer Herrschaft vnd dero befreundten sich mit Anwesendem Hochbetrübten Wittiber, nach willen deß Herren in den H. Ehestandt begeben". Diese nicht näher benannte „Herrschafft" habe ihr „wegen ihrer Trew vnd Fleiß … sehr viel liebs vnd guets Zuuor Vnd Hernach gethan vnd erwiesen". Der Ehe der Maria Müller mit Johann Müller entstammten elf Kinder, von denen beim Tod der Mutter noch drei Söhne und zwei Töchter am Leben waren.