VIII. Benediktinische Tradition, adeliges Selbstgefühl

Benediktinische Tradition, adeliges Selbstgefühl

Mönchische Ideale und weltliche Standesbegriffe gingen im Fürstift Kempten eine widerspruchsvolle Verbindung ein.

Das Stift Kempten war ein Konvent von Mönchen nach der Regel des hl. Benedikt. Der Eintritt war jedoch Adeligen vorbehalten. Sie mußten ihre aristokratische Herkunft drei Generationen zurück belegen.

Von anderen Klöstern unterschied sich das Fürststift auch durch seine Exemtion von jeder bischöflicher Gewalt: Kempten war unmittelbar dem Papst unterstellt.

Vor dem 30jährigen Krieg hatten Klosterzucht und Disziplin einen Tiefstand erreicht. Nur begrenzt erfolgreich waren spätere Versuche einer Reform: Zwar verbesserte sich das monastische Leben, und die Zahl der Stiftsherren nahm zu. Jedoch blieb das Adelsprivileg bestehen.

Die stiftischen Konventualen entstammten meist der Reichsritterschaft. Ähnlich wie bei adeligen Damenstiften spielte beim Eintritt der Gedanke einer standesgemäßen Versorgung häufig eine wichtige Rolle.

Im 18. Jahrhundert waren die Stiftsherren in die Verwaltung des Landes eingebunden. Wissenschaft, Seelsorge und religöses Gemeinschaftsleben, wie sie in anderen Klöstern gepflegt wurden, traten dahinter zurück.

Calender
Kemptischer Hochstifts-Calender
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Reichspolitik und Kaisertum

Als Fürsten nahmen die Kemptener Äbte auf der Ebene des Reiches politische und repräsentative Funktionen wahr.

Rupert von Bodman regierte 50 Jahre lang das Fürststift Kempten. In den Besitzungen der abgewirtschafteten Grafen von Hohenems wirkte er als kaiserlicher Kommissar. Er stand 1699 Pate beim Übergang der Herrschaft Schellenberg an das Haus Liechtenstein.

Außerdem war Rupert von Bodman an der Reform des Reichskammergerichts beteiligt. Sein Amt als Präsident des Reichshofrats in Wien hat er nicht mehr ausgeübt.

Anselm von Reichlin-Meldegg war ein besonders kunstliebender Fürstabt, der auf Repräsentation bedacht war. Als Erzmarschall der Kaiserin nahm er 1742 an der Krönung Maria Amalias in Frankfurt teil. Beim feierlichen Gottesdienst überreichte er ihr Szepter und Reichsapfel.

Das Musikleben

Besondere Aufmerksamkeit schenkten die Äbte der Pflege des Musiklebens. Die stiftische Hofkapelle bestand aus Sängern und Instrumentalisten. Sie hatte vor allem liturgische Aufgaben, trug aber auch zur weltlichen Unterhaltung bei Hof bei.

Viele Musikalien wurden in der Stiftsdruckerei verlegt, darunter die berühmte „Phonurgia Nova" des Athanasius Kircher.

Die Kapellmeister machten sich teilweise auch als Komponisten einen Namen. Zu den Höhepunkten der Kemptener Musikgeschichte zählt das Wirken Franz Xaver Richters (1709-1789).

Hofleben, Fürstenglanz und Tafelluxus

Die Verwaltung des Stifts Kempten besorgte eine komplizierte Bürokratie. An der Spitze entschied die Regierung, die durch das Kollegium der Hofräte ausgeübt wurde.

Die höchsten Stellen am Hof waren Adeligen vorbehalten. Doch konnten mehr und mehr auch qualifizierte Bürgerliche einflußreiche Positionen besetzen. Stiftische Konventualen waren als Pfleger oder Leiter von Ämtern tätig.

Der Hofstaat nahm nicht nur die Aufgaben einer Verwaltung wahr, sondern hatte daneben auch repräsentative Funktionen.

Die personenstarke Beamtenschaft speiste genauso wie die zahlreiche Dienerschaft überwiegend an der Hoftafel. Die Hofküche war daher eine sehr wichtige Einrichtung.

Zu der glanzvoll begangenen 1000-Jahrfeier des Stifts schuf der Hofkonditor eine gewaltige Torte. Ihre reiche Dekoration verherrlichte die lange Geschichte der Fürstabtei.

Krone
Krone
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