VII. Welt voller Zeichen und Wunder

Welt voller Zeichen und Wunder

Die Volksfrömmigkeit spiegelt die religöse Kultur der wiedererstarkten katholischen Kirche nach dem Konzil von Trient.

Organisatorischen Rückhalt erhielt die Kirche durch das Netz der Bruderschaften. Es umfaßte Männer und Frauen aller Stände. Die Mitglieder widmeten sich besonders der Pflege des Rosenkranzgebets.

Bei Gottesdiensten, Prozessionen und Beerdigungen traten die Bruderschaften auch öffentlich in Erscheinung. Stäbe und Tragstangen, die teilweise mit Figuren von Heiligen geschmückt waren, wurden dabei im Zug mitgeführt.

Crescentia Höß und ihre Verehrung

Als charismatische Persönlichkeit wurde die Franziskanerin Crescentia Höß (1682-1744) schon zu Lebzeiten fast als Heilige verehrt. Nach ihrem Tod wurde ihr Kloster zum Ziel Tausender von Wallfahrern. Bis heute pilgern sie vertrauensvoll zu ihrer Wirkungsstätte.

Crescentia war die Tochter einer armen Kaufbeurer Weberfamilie. Mit 21 Jahren trat sie in das dortige Maierhof-Kloster ein.

Zunächst erregten ihre ekstatischen Visionen und rigiden Bußübungen das Mißtrauen der Oberinnen. Aber bald schon fand sie Anerkennung besonders bei mystisch orientierten Gläubigen.

Viele Menschen wandten sich brieflich mit der Bitte um Rat und Hilfe an Crescentia. Sie führte eine umfangreiche Korrespondenz mit einfachen Menschen, aber auch mit Angehörigen der höchsten sozialen Schichten. So beriet sie Fürstabt Rupert von Bodman in politischen Fragen.

Glauben und Aberglauben

Die Grenze zwischen Glauben und Aberglauben war in der frühen Neuzeit nur unscharf gezogen.

Im Vergleich zum Protestantismus verhielt sich die katholische Kirche stets tolerant gegenüber dem weit verbreiteten Bedürfnis nach Bildern und Riten.

Die religöse Volkskultur des 18. Jahrhunderts ist vielfältig in ihren Ausdrucksformen.

In der Stube und in Feldkapellen stellte man Gemälde und Schnitzwerke auf, die die innere Einkehr fördern sollten. Weihwasserflaschen wurden mit frommen Symbolen bemalt. Gegen Not, Krankheiten und Unglücksfälle halfen Kreuze, Gebetszettel, Heiligenbilder, Reliquien und Amulette.

Zum Weltbild der vorindustriellen Zeit gehört auch die Auseinandersetzung mit dem Bösen.

So führte man zum Beispiel Unwetter auf göttlichen Zorn zurück, aber auch auf das Wirken teuflischer Mächte. Auf diesem Boden gedieh der Hexenglaube.

Hexenwahn und Aufklärung

Maria Anna Schwegele wurde 1734 in Lachen bei Memmingen geboren. Sie mußte als Dienstmagd ihren Lebensunterhalt verdienen.

Ihre Arbeitsunfähigkeit brachte sie in das stiftkemptische Zucht- und Armenhaus Langenegg. Dort fiel sie durch ihr merkwürdiges Benehmen und wahnhafte Vorstellungen auf.

1775 denunzierte man sie als „Hexe" und stellte sie in Kempten vor Gericht. Das Urteil lautete auf Hinrichtung mit dem Schwert, wurde jedoch nicht vollzogen.

Vermutlich auf die Fürsprache aufgeklärter Kreise hin wurde Maria Anna Schwegele begnadigt. Sie starb 1781 im Gefängnis.

Der Fall der „letzten Hexe" zeigt, daß sich im Fürststift zwei Lager gebildet hatten:

Den Konservativen standen Anhänger der Aufklärung gegenüber.

Der wichtigste Vertreter der fortschrittlichen Partei war der Hofkaplan Dominikus von Brentano. Brentano gehörte einer Freimaurerloge an, in der Katholiken und Protestanten Mitglieder werden konnten.

Wallfahrten

Im 17. und 18. Jahrhundert nahmen Wallfahrten einen großen Aufschwung.

Überregionalen Zustroms erfreute sich im Allgäu Maria Steinbach, eine Enklave des Klosters Rot im stiftkemptischen Gebiet.

Im Fürststift selbst ist als Wallfahrtsziel vor allem Heiligkreuz bei Kempten zu nennen. Hier ereignete sich 1691 ein „Blutwunder". Daneben existierten zahlreiche kleinere Wallfahrten, die oft nur lokale Bedeutung hatten. Die meisten sind Zeugnisse der für die Epoche charakteristischen Marienverehrung.

Weit verbreitet war der Glaube an Wunder, die durch das Gebet am Wallfahrtsort bewirkt wurden. Pilger, die mit einem besonderen Anliegen kamen, brachten häufig Votivgaben mit. Sie wurden als Bitte um Erhörung oder als Dankesgabe deponiert. Die bemalten „Täfele" gelten heute als wichtige Quelle für die Alltagsgeschichte.

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