Lehrer-Info
für die Landesausstellung: Bürgerfleiß und Fürstenglanz - Reichsstadt und Fürstabtei Kempten

Leitstationen und Hinweise für Schülerführungen (S)

Obwohl die Ausstellung übersichtlich gegliedert und vom Thema und von der Menge der Exponate her überschaubar ist, verdeutlicht allein schon die Zahl von insgesamt 217 Katalognummern, daß jeder Besucher eine Auswahl treffen muß. Umso mehr versteht es sich, daß gerade für Schulklassen Schwerpunkte zu setzen sind.

Der folgende Vorschlag verschiedener Leitobjekte versucht trotz der Reduktion, auf alle Abteilungen angemessen einzugehen, schülerbezogene Akzente zu setzen und - soweit möglich und sinnvoll - dabei die Art der Exponate zu variieren. Für die Vorbereitung ist der bebilderte Ausstellungskatalogs mit seinen wissenschaftlichen Grundinformationen und Exponaterläuterungen sehr hilfreich.

[die arabischen Ziffern verweisen auf Katalognummern, Bild zeigt an, daß dazu eine Abbildung im Internet vorhanden ist, sowie deren Größe in Bildpunkten und KiloByte ]

Abteilung 1
Modell der Reichsstadt und des Stifts Kempten (Kat.-Nr. 1b; Bild- (JPEG, 404x221, 31 KB) -)

Das moderne Modell orientiert sich im wesentlichen an einem sehr detailgetreuen, 1628 datierten Kupferstich von Hain und Raidel. Es zeigt die Reichsstadt und das vor der Stadt gelegenene Kloster Kempten vor den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges. Insbesondere kommt die enge Nachbarschaft beider Gemeinwesen anschaulich zum Ausdruck.

S: Je nachdem, wie weit die Schüler mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut sind, kann das Modell im Gespräch mit der heutigen Situation verglichen werden. Hinzuweisen ist insbesondere auf noch erhaltene Gebäude, wie z.B. das Rathaus und die St. Mangkirche. Völlig neugeordnet stellt sich hingegen der Bereich um das mittelalterliche Kloster dar, das sich an der Stelle der heutigen Residenz befand. Einen Hinweis verdient die Tatsache, daß das Kloster im Gegensatz zur Reichsstadt nicht militärisch durch Mauern geschützt war. Ob man hier bereits auf die Stiftstadt des 18. Jahrhunderts verweisen will (z.B. anhand der Karte Kat.-Nr. 2 oder der Ansicht 3b), muß nach den Umständen entschieden werden.

Abteilung 2
Urkunde „Memminger Vertrag" (Kat.-Nr. 12; Bild- (JPEG, 504x377, 44 KB) -)
Skelettfund erschlagener Bauern (Kat.-Nr. 14; Bild- (JPEG, 406x269, 36 KB) -)

Die Ereignisse des Bauernkrieges von 1525 waren bestimmend für die weitere Entwicklung des Verhältnisses zwischen dem Fürstabt und seinen Untertanen im Kemptener Umland. Der Sieg des Schwäbischen Bundes, der Vereinigung der weltlichen und geistlichen Herren, und ihres Feldherrn, Truchseß Georg von Waldburg (der „Bauernjörg", vgl. Kat.-Nr. 11), ermöglichte die Rekatholisierung des Stiftslandes. Dem Bund war aber an einer dauerhaften Beilegung der Konflikte gelegen; er vermittelte deshalb 1526 den „Memminger Vertrag" zwischen Fürstabt Sebastian von Breitenstein und den Untertanen. Dieser Vertrag regelte beispielsweise die den Bauern auferlegten Abgaben. Als Vertretung der stiftischen Untertanen bildete sich in der Folge die „Landschaft" heraus, die sich vor allem im Steuerwesen Mitspracherecht sicherte. Ihre Ausfertigung des „Memminger Vertrags" deponierte sie übrigens in einer mit vier Schlössern gesicherten Kiste in der Reichsstadt.

Auf die schweren Verluste der militärisch unterlegenen Bauern verweist der ausgestellte Fundkomplex eines Massengrabes. Hiebverletzungen an Schädeln geben heute noch ein schauriges Zeugnis der Todesursache der hier Bestatteten. Der historische Zusammenhang ergibt sich aus einer Niederlage der Baltringer Haufen (Bauernvereinigung des nördlichen Oberschwaben) am 4. April 1525 bei Leipheim. Im Kemptener Umland kam es hingegen zu keiner Entscheidungsschlacht, da sich der Allgäuer Haufen, der sich bei Leubas dem Bundesheer entgegenstellen wollte, schließlich fast kampflos zerstreute.

Den Ablauf der Ereignisse des Jahres 1525 in einer anderen oberschwäbischen Klosterherrschaft faßt schließlich der Film über die „Weißenauer Chronik" zusammen, einer bebilderten Aufzeichnung des Abtes Jakob Murer von Weißenau bei Ravensburg.

S: Grundsätzliche Vorinformationen über den deutschen Bauernkrieg sollten vorhanden sein. Der „Memminger Vertrag" ist aufgrund seiner verfassungsgeschichtlichen Bedeutung ein zentrales Objekt nicht nur für die Geschichte des Allgäus. Die hier gezeigte Handschrift ist mit ihren zehn anhängenden Siegeln (v.a. der Zeugen) auch „optisch" interessant, muß allerdings im Verlauf der Ausstellung wegen ihrer Lichtempfindlichkeit gegen ein Faksimile ausgetauscht werden. Hier wird die Lehrkraft wesentliche Informationen vorgeben und kann das Verständnis mit Fragen absichern („Warum hinterlegten die Bauern ihr Exemplar der Urkunde in der Reichsstadt?"). Daß der Bauernkrieg letztlich mit einer Niederlage der Aufständischen endete, illustrieren die Skelette auf eindrucksvolle Weise. Auf evtl. Fragen der Schüler nach der Art der Kriegsführung kann anhand des Gemäldes „Gladius" (Kat.-Nr. 10) eingegangen werden, das den Kampf von Landsknechten gegen ein Ritterheer zeigt.

Gesamtansicht der Stadt Kempten 1599 (Kat.-Nr. 16)
Porträt: Gordian Seuter (Kat.-Nr. 17; Bild- (JPEG, 495x526, 76 KB) -)
Urkunde „Großer Kauf" (Kat.-Nr. 18)
Porträt: Huldrych Zwingli (Kat.-Nr. 19; Bild- (JPEG, 472x583, 82 KB) -)

Während des Bauernkriegs flüchtete Fürstabt Sebastian von Breitenstein in die Reichsstadt. Bürgermeister Gordan Seuter nützte die Gelegenheit und rang ihm die Unterschrift unter den „Großen Kauf" ab, mit dem der Bürgerschaft für 30.000 fl. alle Rechte zugestanden wurden, die der Abt noch in der Stadt besaß. Damit trennten sich endgültig die politischen Wege der beiden Herrschaftsträger. Die Reichsstadt wandte sich in der Folgezeit der Reformation (zunächst der zwinglianischen, dann der lutherischen Prägung) zu. 1533 wurde in der Bürgerschaft abgestimmt, wobei sich eine deutliche Mehrheit für die Entfernung der „Götzenbilder" in der St. Mangkirche aussprach. Endgültig dem Luthertum zu wandte sich Kempten erst mit dem slowenischen Prediger Primus Truber, der 1553 hierher kam.

S: Eine kurze Geschichtserzählung, die die Bedrängnis des Abts und das Geschick des Bürgermeisters herausstellt, erscheint hier angebracht.. 30.000 Gulden sind für Schüler ein zunächst abstrakter Betrag, der durch die zwei Goldgulden neben der Urkunde etwas anschaulicher wird. Die Summe dürfte mindestens dem doppelten Jahresetat der Reichsstadt entsprochen haben. Das 1525 endgültig festgelegte Territorium der Reichsstadt ist auf der Ansicht als rote Linie zu erkennen. Daß es sehr klein war, können Schüler selbst erkennen. Am Ende dieser Abteilung wird es zweckmäßig sein, die wesentlichen Ergebnisse des Jahres 1525 - Niederlage der Bauern und Sicherung der Herrschaft des Fürstabts im Umland, Erfolg der Bürger und Verzicht des Fürstabts auf Herrschaftsrechte in der Stadt - noch einmal zu wiederholen. Dabei sollte auf die konfessionellen Folgen (Umland bleibt katholisch, Stadt wird evangelisch) hingewiesen werden.

Abteilung 3
Zunfttafel der Bäcker und Müller (Kat.-Nr. 36; Bild- (JPEG, 384x383, 39 KB) -)
Gesellenkundschaft eines Hafners (Töpfers) mit Ansicht der Reichsstadt (Kat.-Nr. 38)
Karte: Herkunft der Gesellen des Kammacherhandwerks (Kat.-Nr. 39)

Die Handwerker der Reichsstadt Kempten waren in Zünften vereinigt, die ihrerseits häufig noch in einzelne „Handwerke" unterteilt waren. Die Objekte zu Beginn der Abteilung 3 demonstrieren Vielfalt und Organisationsformen des zunftgebundenen Handwerks. Die Tafel der Bäcker und Müller hing ursprünglich wohl in der Zunftstube. „Kundschaften" waren durch die Reichshandwerksordnung von 1731 verpflichtend vorgeschriebene Arbeitsnachweise der wandernden Gesellen. Die Herkunftsorte der Gesellen des Kammacherhandwerks verdeutlichen, daß der Faktor Konfession auch noch im 18. Jahrhundert bestimmend war: Eng waren die Verbindungen Kemptens zu anderen (meist protestantischen) Reichsstädten, bedeutungslos jedoch in die überwiegend ländliche Gebiete des Allgäus oder des Kurfürstentums Bayern. Die Gesellen waren auch die potentiellen Ehepartner für verwitwete Meisterinnen, so daß die Karte damit auch Rückschlüsse auf die Heiratsbeziehungen der Kemptener Handwerkerschaft und die Zuwanderung in die Stadt enthält.

S: Die Titel der namentlich genannten Meister („Obmann", „Rechnungsmeister" usw.) verweisen auf das Zunftwesen; der Spruch (Jungfer zum Bäcker: „Ihr werdt vom Bachen Durstig seyn, / Drum Bring ich Euch ein Glaß mit Wein"; Antwort des Bäckers: „Ich Dancke Jungfer Nehmt Darfür / Die Brezge zum Gescheck von mier.") kann von Schülern entziffert werden. Die Auswertung der Karte sollte (mit Hilfen) durch Schüler erfolgen. Anstatt auf ein einzelnes Objekt wie die Bäckertafel genauer einzugehen, kann auch die Fülle der Beispiele ausgeschöpft werden: Alle Gegenstände der Unterabteilung (mit Ausnahme der Kat.-Nr. 28-30) stehen jeweils in einem doppelten Bezugfeld: Sie verweisen auf typische Gewerbe der Reichsstadt (Schmiede, Weber, Nadler, Rotgerber, Bäcker und Müller, Brauer und Wirte, Hafner, Kammacher, Hutmacher, Kunstschreiner) und stehen gleichzeitig für Aspekte des Zunftwesens (Zunftpokal, Ordnung, Stubenschild, Lade, Kundschaft) sowie der Arbeitswelt (Werkzeug, fertiges Produkt).

Karte: Handelsverbindungen (Kat.-Nr. 42)
Modell eines Rodfuhrwerks (Kat.-Nr. 43)

Neben dem Handwerk war der Fernhandel das zweite wirtschaftliche Standbein der Reichsstadt. Die Kaufleute waren entweder in der Kramerzunft oder in der patrizischen „Burgerstube" organisiert. Für eine Stadt ihrer Größenordnung verfügte Kempten über ein erstaunlich weitgespanntes Netz wirtschaftlicher Beziehungen. Besonders wichtig waren in der frühen Neuzeit die Verbindungen in die Schweiz und nach Oberitalien (Venedig, Mailand). Wichtige Handelsgüter waren Leinen, Baumwolle, Pelz- und Lederwaren und Salz. Den Transport bewältigten besonders privilegierte Fuhrunternehmer, sog. „Rodleute".

S: Die Karte der Fernhandelsverbindungen lädt zum Vergleich mit der Karte der Gesellenwanderungen ein. Gemeinsam ist insbesondere das Fehlen intensiverer Kontakte zum nahen Bayern, sieht man einmal vom Reichenhaller Salz ab, das auf dem Weg in die Schweiz die Reichsstadt passierte. Auffällig ist außerdem die Bedeutung Italiens für den reichsstädtischen Fernhandel; Kemptener Bürger hielten sich regelmäßig und oft über Jahre hinweg z.B. in Venedig oder Triest auf. Für die Schüler erschließt sich damit fast von selbst die Wichtigkeit eines guter Verkehrsverbindungen für die Reichsstadt. Dazu gehörte auch ein wohlgeordnetes Transportwesen. Am Modell interessant ist ua. der Aufbau der Ladung, die vor Nässe geschützt werden mußte, und die Kennzeichnung von Waren durch Kaufmannszeichen.

Je nach Unterichtssituation und Zeitvorgabe kann noch auf die Zunft- und Wappentafel der Kramer (Kat.-Nr. 46) eingegangen werden. Sie verdeutlicht mit ihrer Häufung von Ratsmitgliedern den großen politischen Einfluß der Kaufleute und mit ihrer künstlerisch ansprechenden Gestaltung auch den relativen Wohlstand dieser Berufsgruppen (z.B. im Vergleich zur wesentlich schlichteren Bäckertafel, Kat.-Nr. 36). Die Themen „Fernhandel" und „Patriziat" können außerdem anhand von Gegenständen aus dem Besitz der Familien König und Jenisch weiterverfolgt werden (z.B. das Kaufmannsporträt Kat.-Nr. 52 oder die allegorische Darstellung Kat.-Nr. 53).

Abteilung 4
Standarte der Reichsstadt Kempten von 1795 (Kat.-Nr. 64)
Hildegardhandschriften (Kat.-Nr. 67, 68; Bild- (JPEG, 336x309, 39 KB) -)
Gemälde: Hildegard als Wohltäterin der Armen (Kat.-Nr. 69)

Seit 1488 (vgl. den Wappenbrief, Kat.-Nr. 63) führt die Reichsstadt den Reichsadler in ihrem Wappen, der zugleich auf die besondere Rechtsstellung der Stadt hinwies. Er erscheint auch noch in der Standarte von 1795. Die Betonung der Reichsunmittelbarkeit ist auch im Kontrast zu den Ansprüchen der Fürstäbten zu sehen, von denen sich die Bürgerschaft in ihrer Autonomie bedroht sah. Das Fundament der Klostertradition bildet die legendenumwobene Gestalt der Frankenkönigin Hildegard (757-783), der zweiten Gemahlin Karls des Großen. Auf ihre (angeblichen) Schenkungen führte man die Besitzungen und Rechte des Stifts im Kemptener Umland (und auch in der Stadt!) zurück; ihr vermeintliches Grab wurde bis zum Dreißigjährigen Krieg in der Stiftskirche gezeigt. Es hatte daher einen ganz politischen Sinn, wenn Abt Johannes von Wernau Kaiser Friedrich III. um 1472 eine prunkvolle, illuminierte Handschrift zum Geschenk machte (Kat.Nr. 67). Dieses Manuskript ist neben einer zweiten, ebenfalls mit Miniaturen ausgestattenen Hildegardsvita (Kat.-Nr. 68) einer der kunstgeschichtlichen Höhepunkte der Ausstellung, zumal beide Objekte aus Privatbesitz bis vor kurzem selbst der Fachwelt fast völlig unbekannt waren. Auf die Hildegardverehrung der Neuzeit verweist ein Altarblatt des 18. Jahrhunderts von Hieronymus Hau, einem reichsstädtischen (also evangelischen!) Künstler, der es für die inzwischen abgebrochene Hildegard-Kapelle im östlichen Innenhof der Residenz schuf. Dort mußten diejenigen Armen, die vom Hof ihr Almosen (im 18. Jahrhundert als „Hildegardstiftung" bezeichnet und historisch auf sie zurückgeführt) bezogen, ein Gebet verrichten. Das Bild zeigt die Heilige deshalb als Wohltäterin der Armen.

S: Die Exponate zu Beginn dieser Abteilung versuchen so etwas wie „politische Selbstdeutung und -darstellung" anhand von überlieferten Objekten aufzuzeigen - ein schwieriges Unterfangen, besonders für Schüler der unteren und mittleren Jahrgänge. Hier wird man sich evtl. mit einem Hinweis auf die Wappensymbolik von Reichsstadt und Stift und ihre Bedeutung begnügen müssen. Die Standarte kann zu der Frage veranlassen, was mit dem „Vaterland" der Inschrift („Für Gott! und Vaterland 1795") gemeint sei; der Vergleich mit zeitgenössischen Schriftquellen erlaubt die Antwort, daß nur die Reichsstadt Kempten in Frage kommt. Mit einer größeren Schülergruppe wird man sinnvollerweise die Betrachtung des großen Altarbildes ins Zentrum stellen. Hier besteht die Möglichkeit, mit einer Frage nach den Details der Darstellung zu beginnen (Kirchenmodell und Krone als Attribute). Welche Vorteile sich daraus ziehen lassen, wenn ein Kloster sich der Begünstigung durch eine Königin (noch dazu der Gemahlin eines so berühmten Herrschers wie Karls d. Gr.) und ihrer (angeblichen) Grablege rühmen kann, werden auch Schüler herausfinden.

Gemälde: Fürstabt Johann Willibald Schenk von Castell und die Plünderung des Klosters 1632 (Kat.-Nr. 73; Bild- (JPEG, 316x556, 39 KB) -)
Kupferstich: Eroberung der Reichsstadt durch die Kaiserlichen 1633 (Kat.-Nr. 74)
Spanschachtel mit Haarbüschel (Kat.-Nr. 77 a, b; Bild- (JPEG, 459x402, 63 KB) -)

Während des Dreißigjährigen Krieges entluden sich die konfessionellen, politischen und wirtschaftlichen Gegensätze zwischen Stift und Reichsstadt Kempten mit einer Heftigkeit wie nie zuvor oder danach. 1632, als die Schweden das Allgäu okkupiert hatten, nützten die Bürger die Gunst der Stunde und plünderten zusammen mit den Besatzern das Kloster. Von der mittelalterlichen Klosteranlage blieb schließlich nur ein Trümmerhaufen. Fürstabt und Konvent hatten sich schon vorher in die Eidgenossenschaft geflüchtet; die erst über ein Jahrhundert nach den Ereignissen entstandene Darstellung des Hofmalers Franz Georg Hermann ist in der Kombination von Abtporträt und Klostersturm anachronistisch. Der Gegenschlag der katholischen Seite folgte wenig später: Am 13. und 14. Januar erstürmten die Kaiserlichen die Reichsstadt, die nicht zuletzt durch den rachdurstigen Fürstabt aufgehetzt waren. Bei der Eroberung kam es zu schrecklichen Greuel an der Bevölkerung: „...und was sich in der eyl nit saluiert oder verkrochen, ist von den unserigen nidergemacht worden" (Schrift auf dem Druck).

Nach 1648 spielten sich die Gegensätze immer mehr auf wirtschaftlicher Ebene ab. Beide Seiten führten endlose Prozesse gegeneinander; es kam aber im Alltag immer auch zu Zusammenarbeit. Anlaß für einen Rechtsstreit der eher komischen Art gaben die von Stift und Stadt gemeinsam genutzten Trinkwasserleitungen (in hölzernen „Deicheln" geführt). 1707 beschuldigte Abt Rupert von Bodman die Reichsstadt, durch die Verunreinigung der Leitung in die Residenz ihn und den Konvent gesundheitlich zu ruinieren; 1716 kam es darüber zum Vergleich. Gezeigt werden ein zeitgenössischer Plan der Leitungen und ein den Gerichtsakten entnommenes Corpus delicti: eine Spanschachtel mit einem kotverklebten Haarbüschel, das der stiftische Brunnenmeister in der Leitung fand.

S: Bei allen Objekten steht die Erschließung durch den Lehrer im Vordergrund, Während die Zerstörung des Klosters ein zentrales Ereignis der Kemptener Geschichte ist, das ja auch die Voraussetzung für den barocken Neubau (vgl. Abteilung 9) bildet, ist die Geschichte vom Haarbüschel in der Wasserleitung eher eine amüsante Anekdote.

Abteilung 5
Gesellenkundschaft eines Brauers (Kat.-Nr. 86; Bild- (JPEG, 556x491, 75 KB) -)
Fässertabelle des stiftischen Brauhauses (Kat.-Nr. 84)
Handwerksartikel der Müller, Bäcker und Braugesellen von 1768 (Kat.-Nr. 85)

1675 erklärte Fürstabt Bernhard Gustav von Baden-Durlach das Brauen zum landesherrlichen Monopol. Den Bedarf der Bevölkerung deckten nun vier stiftseigene Brauhäuser in der Stiftsstadt, Günzach, Lautrach und Grönenbach. Allerdings konnte die stiftische Obrigkeit nicht verhindern, daß die Bevölkerung um Kempten weiterhin die reichsstädtischen Bierwirte besuchte, wo das Getränk meist besser und billiger war. Die Fässertabelle diente zur Markierung der an die Wirte gelieferten Fässer Braunbier (B) und Weißbier (W). Dazu wurde ein kleiner Holzstift in die entsprechende Markierung gesteckt.

Eine merkantilistische Wirtschaftspolitik und die anspruchsvolle Hofhaltung der Fürstäbte führten dazu, daß sich Ende des 17. Jahrhunderts immer mehr Menschen um die neuerbaute Residenz der Fürstäbte niederließen. Aus der Siedlung von Handwerkern, Hofbeamten und -bediensteten entstand die Stiftsstadt, die 1728 ein kaiserliches Privileg (Kat.-Nr. 81) erhielt. Damit existierten im 18. Jahrhundert zwei etwa gleichgroße, politisch und konfessionell jedoch getrennte Städte Kempten nebeneinander auf engstem Raum, ein in Deutschland wohl einmaliger Fall einer „Doppelstadt". Eine Ansicht der barocken Stiftsstadt bietet der Kopf der Gesellenkundschaft.

S: Die drei Objekte stehen in engem zeitlichen und funktionalen Zusammenhang und können miteinander abgehandelt werden. Im Zusammenhang mit dem stiftischen Braumonopol ist auf die beiden noch erhaltenen Brauhäuser in Kempten hinzuweisen (heute Untere Stiftshallen bzw. Musikschule). Die stiftische Kundschaft legt den Vergleich mit der reichsstädtischen Kundschaft aus Abteilung 3 nahe. Anhand der Ortsnamen auf der Fässertabelle können die Schüler den geographischen Umkreis bestimmen, für den das Brauhaus der Stiftsstadt zuständig war. Die Handwerksartikel sind nicht nur mit einer Federzeichnungen geschmückt, die den Vorgang des handwerklichen Brauens zeigen, sondern können für den Hinweis genutzt werden, daß im 17. Jahrhundert auch im ländlichen Stiftsgebiet Zünfte entstanden, die allerdings lange Zeit von den Meistern in der Reichsstadt nicht anerkannt wurden.

Webstuhl für Leinen (Kat.-Nr. 98)

Neben Viehzucht und Getreidebau bildete der Anbau von Flachs schon immer eine wichtige Grundlage der Allgäuer Landwirtschaft. Die Herstellung von Leinen war über Jahrhunderte ein wichtiger Wirtschaftszweig, der aber einem charakteristischen Wandlungsprozeß unterlag. Im Mittelalter lieferten die Bauern das Garn auf den Markt, aus dem die städtischen Weber das Leinen woben. Zu Beginn der Neuzeit verlagerte sich die Textilherstellung immer mehr in den ländlichen Raum, weil die Landweber billiger arbeiteten. In der Reichsstadt Kempten ging die Zahl der Webermeister von fast 600 um 1617 auf 73 im Jahre 1787 zurück. Im Stiftsland saßen außer dörflichen Handwerkern (besonders in den Wintermonaten) auch das bäuerliche Gesinde am Webstuhl. Die Arbeit war zwar monoton, aber relativ leicht erlernbar. Für die Vorarbeiten, v.a. das Spinnen von Garn, wurden auch Kinder herangezogen. Das fertige Leinen wurde vor allem über die Immenstädter Schau (Qualitätsprüfung!) abgesetzt; hier kauften auch reichsstädtische Fernhändler ein, die die Ware weiter nach Italien verbrachten.

E: Die Funktionsweise des Webstuhls läßt sich am Objekt untersuchen und wird durch einen Kurzfilm über den Vorgang des Webens im Bild erläutert. Das Familienporträt eines Immenstädter Leinwandfaktors (Kat.-Nr. 99) zeigt den Wohlstand, den diese Schicht von Zwischenhändlern erreichen konnte. Das Thema „Landwirtschaft" kann noch z.B. anhand des Modell eines Allgäuer Bauernhauses (Kat.-Nr. 100) vertieft werden. Bevor man den Hofgartensaal verläßt, ist evtl. noch ein Rückverweis auf die erste Abteilung dieses Raumes („Bauernkrieg") angebracht, womit sich der Rundgang durch diesen Teil der Ausstellung auch thematisch schließt.

Abteilung 6
Konzil von Trient (Kat.-Nr. 115; Bild- (JPEG, 476x405, 67 KB) -)

Die Darstellung des Konzils von Trient folgt zeitgenössischen Kupferstichen. Das Konzil tagte zwischen 1545 und 1563 und wird von der älteren Geschichtsforschung an den Beginn der „Gegenreformation" gesetzt. Heutige Historiker betonen die gleichartig verlaufende „Konfessionalisierung" auf katholischer wie protestantischer Seite.

E: Das großformatige Gemälde kann als Einstieg zum Katholizismus der frühen Neuzeit verwendet werden, dem übergreifenden Thema der drei Abteilungen im Fürstensaal. Im Schülergespräch läßt sich beispielsweise bei der Kritik der Reformatoren an den Strukturen der alten Kirche ansetzen. Dargestellt sind rechts im Halbrund die Konzilsväter, oben die Vertreter der weltichen Fürsten, in der Mitte einzeln sitzend der Vertreter des Kaiser und auf der linken Seite die tribüne mit den sieben päpstlichen Konzilslegaten. Die Anwesenheit von Vertretern der weltlichen Obrigkeit deutet voraus auf die wichtige Rolle, die sie bei der Durchführung der Konzilsbeschlüsse übernahm. Im Fürststift Kempten unterstützten die Äbte als Landesherrn (z.B. durch den Erlaß von allgemeinen Landesordnungen, vgl. dazu Kat.-Nr. 121 und 122) die Zurückdrängung reformatorischen Gedankenguts (Rückverweis auf die Niederwerfung des Bauernaufstands!).

Abteilung 7
Wallfahrtsfahne, Votivbilder und Votivgaben (Kat.-Nr. 153, 154a-d, 155, 156; Bild- (JPEG, 550x438, 68 KB) -)

Wie sehr die „Volksfrömmigkeit" des 18. Jahrhunderts von bildhaften Vorstellungen und naiv anmutendem Wunderglauben geprägt war, illustrieren fünf Votivtafeln. Vier von ihnen stehen im Zusammenhang mit der Wallfahrt von Maria Steinbach, die von überregionaler Bedeutung war (und ist!); eine stammt aus dem Kemptener Raum. Eine um 1750 entstandene Fahne zeigt den Vorgängerbau der später erneuerten Kirche, das Gnadenbild und eine Gruppe von Hilfesuchenden. Die Tafeln geben auch Einblick in das Alltagsleben und die Nöte der Zeit: Mühlunglück (bei Amendingen), Brand des stiftischen Schlosses Lautrach, Schlittenunfall eines Bauern, Operation (nicht der Patient, sondern der Arzt „verlobt" sich!), Krankenlager einer Frau aus Hofbeamtenkreisen. Z.T eigenartige Votivgaben, wie z.B Reisigbesen, die bis in unser Jahrhundert hinein in der Kemptener Besenkapelle zur Befreiung von Hautkrankheiten deponiert wurden, sind in einer Nische gesammelt.

S: Die Objekte sind in bzw. an einer angedeuteten Kapelle angebracht. Die Tafeln „erzählen" Alltagsgeschichte, wie sie von Schülern unschwer selbst erschlossen werden kann; sie können in diesem Sinne genutzt werden. Die Votanten der Tafeln vertreten unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen (Handwerker, Bauern, Bürgertum).

Abteilung 8
Kupferstich: Hofkalender von 1762/1775 (Kat.-Nr. 168; Bild- (JPEG, 286x558, 60 KB) -)

Kalender dieser Art dienten vor allem repräsentativen Zwecken und konnten durch eingeklebte Kalendarien und Wappen vom Besitzer immer wieder aktualisiert werden. Der Kalender vermittelt Einblicke in das Selbstverständnis und den Aufbau des Stifts: ganz oben die Madonna, umgeben von Heiligen, unter ihnen rechts außen Karl d. Gr. , darunter in einem altarähnlichen Aufbau in der Mitte das Porträt des Fürstabts (Honorius Roth von Schreckenstein), umgeben von den Wappen der Kapitulare, an den Säulen u.a. links die hl. Hildegard und unten eine Karte und allegorische Verkörperungen des Stiftslandes.

S: Die Details sind zwar recht klein, der Kalender als solcher jedoch so groß, daß ihn alle Schüler sehen können. Er kann benutzt werden, um einige grundsätzliche Informationen über das Fürststift und seine aristokratisch-monastische Spitze zu vermitteln. Wichtig ist es, dabei die eigenartige Stellung des Fürststifts als eines der wenigen dem Adel vorbehaltenen Benediktinerklöster im Reich herauszuarbeiten. Dazu ist der Hinweis interessant, daß die Novizen (die weitgehend der schwäbischen Reichsritterschaft entstammten) acht adelige Ahnen (also bis zur Generation der Urgroßeltern) nachweisen mußten.

Gemälde: Christoph Johann Nepomuk von Gravenreuth als Hofpage (Kat.-Nr. 196)

Der Porträtierte trat 1743 als 14jähriger Edelknabe in den Kemptener Hofdienst; ein Jahr später entstand das Bild. Er entstammte einer adeligen, aber verarmten Familie. Seine verwitwete Mutter (ihre Briefe an den Abt sind noch erhalten) war offenbar eine energische Frau, die sehr bestrebt war, ihre Kinder standesgemäß zu versorgen. Der Kemptener Hof bot diese Möglichkeit, da Pagen zu finanziell günstigen Bedingungen am stiftischen Gymnasium erzogen wurden. Sie wurden von Patres des Schulordens der Piaristen u.a. im Hauptfach Latein unterrichtet und zusätzlich in „Kavaliersfächern", wie Fechten, Reiten, Tanzen und Heraldik. Die Hofpagen trugen eine Uniform und speisten an der Hoftafel. Viele traten später als Kapitulare in das Kloster ein. Christoph Johann Nepomuk von Gravenreuth wählte diesen Lebensweg und wurde1753 zum Priester geweiht. Er starb aber schon mit 29 Jahren an den Pocken. Sein Bruder, der mit ihm in den Pagendienst eingetreten war, fühlte sich zum Leidwesen seiner Mutter nicht zum geistlichen Stand berufen und verließ nach seiner Pagenzeit das Stift, um sich, wie sie schreibt, in die „höchst gefährliche Welt" zu begeben.

S: Das Porträt lädt Schüler aufgrund des Alters des Dargestellten zur Identifikation ein. In diesem Sinne könnte auch das Gespräch geführt werden.

Abteilung 9
Porträt des Fürstabts Roman Giel von Gielsberg (Kat.-Nr. 202; Bild- (JPEG, 328x556, 44 KB) -)

Der Neubau der Residenz und der Pfarr- und Klosterkirche St. Lorenz geht maßgeblich auf die Initiative von Fürstabt Roman Giel von Gielsberg (reg. 1639-1673) zurück, der hier vor der vollendeten Anlage abgebildet ist. Baumeister waren zunächst der Vorarlberger Michael Beer und dann der Graubündner Giovanni Serro. Mit ihrem regelmäßigem Grundriß und den schloßartigen Ecktürmen weicht die barocke Residenz erheblich vom Erscheinungsbild der alten Anlage (noch einmal dargestellt auf Kat.-Nr. 203) ab. Gegen die außerordentlichen Belastungen (Fronen, Abgaben) durch die Bauten des Fürstabts wehrten sich die Untertanen 1666 in einem Prozeß vor dem Reichshofrat in Wien, der ihren Klagen weitgehend stattgab.

S: Anzuknüpfen ist hier an die schon abgehandelte Zerstörung der mittelalterlichen Klosteranlage im Dreißigjährigen Krieg durch die Schweden und Bürger der Reichsstadt. Welchen Kraftakt der Neubau in dem verwüsteten Land bedeutete, läßt sich durch die Information illustrieren, daß die Bevölkerung etwa auf 60 bis 75 Prozent des Vorkriegsstandes zurückgegangen war.

Selbstporträt des Hofmalers Franz Georg Hermann (Kat.-Nr. 216)

Franz Georg Hermann ist der Prototyp des frühzeitlichen Hofkünstlers. 1692 geboren, entstammt er einer seit Generationen im Stift ansässigen Familie von Malern. Sein Selbstbildnis entstand 1767, ein Jahr vor seinem Tod. Details verweisen auf seine soziale Stellung (Kleidung), seine Bildung (Bücher, hier Nachschlagewerke zur ”Ikonologie der Leidenschaften und Allegorien”), seine Studien (Modell und Nachbildung einer antiken Skulptur) und seine Erfolge (erster Preis als Zwanzigjähriger von der ”Academia di San Luca” in Rom). Er war wohlhabend genug, sich ein stattliches Wohnhaus in der Stiftsstadt zu errichten (noch erhalten, in der Memminger Straße). Zu seinen wichtigsten Arbeiten gehört das Deckenbild im Thronsaal der Residenz, von dem ein Entwurf (Kat.-Nr. 215) gezeigt wird.

S: Die wesentlichen Aussagen des Gemäldes erschließen sich auch interessierten Schülern, wenn ihr Blick entsprechend gelenkt wird. Daß Hermanns Werk trotz aller Qualitäten letztlich provinzielle Züge trägt, ist kaum zu bestreiten. Erfolge und erreichte Lebensstellung sind also auch aus der Zeitsituation heraus (Repräsentationsbedürfnis der Fürsten und der Kirche, ”kunstfreudiger”Âbt Anselm von Reich-lin-Meldegg) zu erklären.

Prunkräume (Bild- (JPEG, 369x459, 57 KB) -)

Eine detaillierte Führung im Anschluß an die Ausstellung überfordert die Konzentrationsfähigkeit der meisten Besucher. Nicht versäumt werden sollte aber ein Hinweis auf den Thronsaal (Ausstattung um 1740/43). Er ist mit einem figurenreichen Deckenbild (Ölmalerei, keine Freskotechnik) von Franz Georg Hermann geschmückt, das Motive aus der Geschichte und Gegenwart des Stifts zeigt, darunter eine Darstellung des Fürstabts Anselm von Reichlin-Meldegg, geführt von dem biblischen Helden Gideon (in antikem Gewand, mit dem Vließ als Symbol der Jungfräulichkeit Mariens), gefolgt von Mitgliedern des Konvents und des Hofstaats. Die Stuckarbeit stammen vom Hofstukkateur Johann Georg Üblher; die vier lebensgroßen Holzplastiken des Hofbildhauers Aegid Verhelst stellen die ”Tugenden” des Herrschers dar: Friedfertigkeit, Liebe, Macht und Weisheit. Gegenüber vom Eingangsportal befindet sich die (leere) Thronnische.

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