Neubürger und Politik

Die amerikanische Besatzungsmacht verbot den Flüchtlingen und Vertriebenen bis 1949 aus Angst vor einer politischen Radikalisierung die Bildung von politischen Verbänden.

Einige kommunale Wählergemeinschaften stellten trotzdem seit 1948 auch Neubürger auf. Die überwiegende Zahl der Flüchtlinge wandte sich zunächst der SPD und der Wirtschaftlichen Aufbaugemeinschaft (WAV), später dann auch der CSU zu.

1950 erhielten die Vertriebenen mit dem Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) eine eigene politische Interessenvertretung. Der Gesamtdeutscher Block (GB)/BHE war in Bayern von 1950 bis 1962 an der Regierung beteiligt.

Die bayerischen Regierungsvertreter wiesen immer wieder auf die wichtige Aufgabe hin, die Flüchtlinge und Vertriebenen einzugliedern. 1966 erklärte Ministerpräsident Alfons Goppel die Integration der Neubürger für abgeschlossen.


Das Hauptprinzip der amerikanischen Besatzungspolitik bestand darin, die Entstehung eines Minderheitenproblems und damit eine Quelle neuer Unruhen zu verhindern. Deshalb wurde die Gründung eigener Vertriebenenverbände oder -parteien verboten. Dies führte unter den Vertriebenen schon bald zur Errichtung von "Tarnorganisationen", später dann zu politischen und landsmannschaftlichen Verbindungen, die flüchtlingsspezifische Anliegen vertraten. Zu ihnen zählten Gruppierungen wie die Wirtschaftliche Aufbauvereinigung (WAV), die Deutsche Notgemeinschaft (DNG) und der Neubürgerbund. Viele von ihnen vertraten die Interessen der Vertriebenen allerdings nur auf kommunaler Ebene.

Erst 1949 erfüllte sich mit dem Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) der Wunsch der Vertriebenen nach einer eigenen Partei. Deren Entwicklung ist ein Spiegelbild der Integration der Neubürger: Während die Partei zu Beginn der 50er Jahre über ein verhältnismäßig hohes Wählerpotenzial verfügte, nahmen die Wählerstimmen im folgenden Jahrzehnt kontinuierlich ab, was schließlich zur Auflösung der Partei führte.

Die Haltung der von der amerikanischen Besatzungsmacht zugelassenen Parteien zu den Neubürgern gestaltete sich unterschiedlich. Anfangs stand vor allem die SPD den Problemen und Sorgen der Vertriebenen aufgeschlossen gegenüber. Die CSU öffnete sich erst später den Neubürgern, übernahm aber 1962 unter Ministerpräsident Ehard die Schirmherrschaft über die Sudetendeutschen. Traditionell hält bis heute der bayerische Ministerpräsident jedes Jahr am Sudetendeutschen Tag die Festrede. Aber auch die anderen Parteien bemühten sich um Wählerstimmen aus Flüchtlingskreisen, wie Wahlplakate aus den 50er Jahren dokumentieren.

Eine Ausnahme bildete die Bayernpartei, wenngleich deren Vertreter im Rahmen ihrer Regierungsbeteiligung an den Treffen der Vertriebenen teilnahmen.Landsmannschaften und Vertriebenenverbände bilden das Rückgrat der politischen und kulturellen Arbeit der Neubürger. Ihre große Zeit hatten sie in den 50er Jahren bei den Auseinandersetzungen um den Lastenausgleich.

Ein abschließendes Thema ist die Suche der Flüchtlinge und Vertriebenen nach Angehörigen. Bei Kriegsende suchte jeder vierte Bewohner Deutschlands mindestens einen Angehörigen. Im Juni 1945 gründete das Deutsche Rote Kreuz zusammen mit kirchlichen Verbänden und der Arbeiterwohlfahrt in München den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes. Erich Kästner und der Fotoreporter Hilmar Pabel wirkten bei der Gestaltung der Plakate für den Kindersuchdienst mit. Mit Hilfe von Suchkarten und Plakaten konnte rund die Hälfte der Suchanträge positiv bearbeitet werden