Flucht und Vertreibung

Der durch den Überfall der Deutschen auf Polen ausgelöste Zweite Weltkrieg endete 1945 mit der vollständigen Niederlage des Deutschen Reichs. Binnen weniger Monate sah sich Bayern gezwungen, fast zwei Millionen Flüchtlinge und Vertriebene aufzunehmen. Die Flüchtlinge kamen in stark zerstörtes Land,
in dem neben der einheimischen Bevölkerung und Angehörigen der Besatzungsmacht, auch befreite KZ-Häftlinge und ehemalige Zwangsarbeiter um das tägliche Überleben kämpften.

Der Vormarsch der Roten Armee zwang die deutsche Bevölkerung seit dem Sommer 1944 zur Flucht aus den preußischen Ostgebieten. Grausame Vergeltungsmaßnahmen der russischen Armee begleiteten die ab der Jahreswende 1944/45 einsetzende Massenflucht.

Die Ausweisung der deutschen Bevölkerung setzte erst nach Ende der Kampfhandlungen mit den sogenannten "wilden" Vertreibungen ein. Auf der Konferenz von Potsdam (Juli/August 1945) ordneten die Siegermächte die "geordnete und humane" Ausweisung der Deutschen aus der Tschechoslowakei, aus Ungarn und Polen an.

Es zeigte sich, dass die Neubürger keineswegs eine homogene Gruppe waren; vielmehr sind die Unterschiede in allen Lebensbereichen je nach Herkunftsland offenkundig. Die meisten Flüchtlinge und Vertriebenen in Bayern stammten aus der Tschechoslowakei, vor allem aus dem Sudetenland, gefolgt von Schlesiern, dann mit weitem Abstand Ostpreußen und Volksdeutschen aus Jugoslawien, Ungarn und Rumänien. In der ersten Phase der Aufnahme und Unterbringung war eine gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge und Vertriebenen nicht möglich. Im Jahr 1946 hatte Bayern mit Schleswig-Holstein und Mecklenburg die höchsten Vertriebenenanteile. Da sich die französische Besatzungsmacht zunächst weigerte Vertriebene aufzunehmen, kamen nur wenige von ihnen in die französische Zone.

Noch 1950 wirkte sich die ungleichmäßige Verteilung der Neubürger aus: Höhere Zahlen als Bayern mit 21,2 Prozent wiesen nur Schleswig-Holstein mit 33 Prozent und Niedersachsen mit 27,2 Prozent auf. Auch in Bayern selbst waren die Flüchtlinge und Vertriebenen anfangs in die strukturschwachen, aber auf Grund des vorhandenen Wohnraums aufnahmefähigen Gebiete eingewiesen worden: nach Niederbayern, Oberfranken und in die Oberpfalz. Die Zuweisung ohne Rücksicht auf Arbeits- und Erwerbsmöglichkeiten erschwerte die Eingliederung der Neubürger. Die Binnenwanderung in den kommenden Jahren, vor allem ab 1949 nach der Lockerung der Wohnraumbewirtschaftung, brachte in Bayern zwar eine Abwanderung aus den strukturschwachen Regionen vorwiegend nach Oberbayern, änderte aber nur wenig an den bestehenden Verhältnissen.