Milica Stjepanović

„Morgens um neun Uhr bin ich angekommen. Unten im Keller war alles voll. Über Lautsprecher wurden immer die Nummern aufgerufen, die auf dem Arbeitsvertrag standen. Sie entschieden darüber, wohin man gehen musste.“

Milica Stjepanović

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Milica Stjepanović wurde 1946 in Glogovac/Bijeljina in Jugoslawien geboren. Da die wirtschaftliche Lage im Jugoslawien der Nachkriegszeit sehr angespannt war, beschloss sie 1970, als „Gastarbeiterin“ in die Bundesrepublik zu gehen. Sie war zu diesem Zeitpunkt 24 Jahre alt, verwitwet und hatte drei Kinder zu versorgen. Die Kinder musste sie in der Heimat zurücklassen, ihr achtjähriger Sohn blieb bei ihrer Schwester, die beiden Töchter, sechs und vier Jahre alt, kamen bei den Schwiegereltern unter.

Diesen Pass und dieses Arbeitsbuch musste Milica bei ihrer Einreise nach Deutschland vorlegen (Fotos: Haus der Bayerischen Geschichte). Diesen Pass und dieses Arbeitsbuch musste Milica bei ihrer Einreise nach Deutschland vorlegen (Fotos: Haus der Bayerischen Geschichte). Diese Halskette und dieses Kopftuch trug Milica Stjepanovic, als sie 1970 in die Bundesrepublik kam (Foto: Haus der Bayerischen Geschichte). Diese Halskette und dieses Kopftuch trug Milica Stjepanovic, als sie 1970 in die Bundesrepublik kam (Foto: Haus der Bayerischen Geschichte). Dieses Gebetbuch nahm Milica aus ihrer Heimat in die Fremde mit. Sie legte es jede Nacht unter ihr Kopfkissen und betete für ihre zunächst in Jugoslawien gebliebenen Kinder (Foto: Haus der Bayerischen Geschichte). In Ribbesbüttel bei Braunschweig, Milicas erster Station in der Bundesrepublik, freundete sie sich mit einer Nachbarin an, mit der sie Deutsch lernte. Diese Decke erhielt Milica von ihr als Geschenk. Alle hier abgebildeten Erinnerungsstücke hat Milica Stjepanovic nun dem Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg geschenkt (Foto: Haus der Bayerischen Geschichte).

Von Bijeljina fuhr Milica mit dem Bus nach Tuzla und von hier aus mit dem Zug weiter nach München. Im Bunker unter Gleis 11 erhielt sie ihren Arbeitsvertrag. Erst jetzt erfuhr sie, dass sie nicht, wie ursprünglich gedacht, nach West-Berlin, sondern nach Braunschweig in die Fernsehgeräteproduktion von Imperial (später: Telefunken) gehen würde.

Milica lebte in der Nähe von Braunschweig in Ribbesbüttel. Auch wenn es sich bei dem Wohnheim um ein umgebautes Schloss handelte, waren die Verhältnisse wenig herrschaftlich: Sie musste sich ihr Zimmer mit vier Kolleginnen teilen.

Im September 1978 kamen Milicas inzwischen 12, 14 und 16 Jahre alten Kinder in die Bundesrepublik. Die Familie bezog eine Wohnung in Wolfenbüttel. Am Anfang hatten die Kinder großes Heimweh und wollten zurück nach Jugoslawien, doch nach ein paar Monaten hatten sie sich eingelebt, sie wuchsen nun in Deutschland auf und gingen hier zur Schule.

Um in der Nähe ihrer Kinder bleiben zu können, die ab 1983 bei Siemens in München arbeiteten, gab Milica ihre Arbeit bei Telefunken auf und ging ebenfalls zu Siemens nach München. Da sie mit ihrer Arbeit als Lageristin nicht zufrieden war, wechselte sie 1984 zu BMW. Dort arbeitete sie fast 15 Jahre lang in der Sattlerei und im Kabelbau.

Milicas Bindungen an die alte Heimat sind nie abgerissen. Jedes Jahr fährt sie für zwei bis drei Wochen nach Bosnien. Ihr Lebensmittelpunkt ist und bleibt jedoch München, wo auch ihre Kinder und Enkelkinder zu Hause sind. Milica möchte für immer in Deutschland bleiben.