"Münchner Kunst"

Simplicissimus, 6. Jg., Nr. 15, Juli 1901, S. 113
Zeichnung: Thomas Theodor Heine (1867–1948)

Die um 1900 entbrannte Diskussion über die Stellung Münchens als Kunststadt wurde vor dem Hintergrund der Konkurrenz zu Berlin ausgetragen.

Text:
Münchner Kunst:
Berliner: "Mit der Münchner Kunst is nischt mehr, Berlin is jetz´die deutsche Kunstmetropole." Münchner: "So, so."
Berliner: "Un besseres Bier wird in München auch schon jebraut." Münchner: "Hanswurscht, damischer, daß i dir dei freche Goschen net recht herhau!"

 

"Münchner Kunst"


 

Nachdem der Berliner Journalist Rosenhagen 1901 erstmals Erstarrungstendenzen in der Münchner Kunst kritisierte, veröffentlichte der Bruckmann-Verlag 1902 eine Befragung über den "Niedergang Münchens als Kunststadt". Hermann Obrist, der mangels Aufträgen der Stadt den Rücken kehrte, kritisierte scharf das "liebe Bier- und Theaterdorf", während Franz v. Lenbach die Meinung vertrat, dass von einem Bedeutungsverlust nicht die Rede sein könne.

Auch diese Diskussion wurde vor dem Hintergrund der Berliner Konkurrenz von den Karikaturisten als bayerisch-preußischer Gegensatz gesehen. Das Desinteresse der Münchner Bevölkerung an Kunstfragen wurde mit dem Klischee von "München als Bierstadt" deutlich gemacht.

Im Wettstreit um die Stellung als führende Kunststadt Deutschlands spielte die Kunstförderung durch die Monarchen eine wichtige Rolle.

In Berlin bescherte Wilhelm II. Bedürfnis nach Selbstdarstellung den Bildhauern volle Auftragsbücher. Seine Einmischung in künstlerische Fragen jedoch und die Bevorzugung des Bildhauers Reinhold Begas, etwa beim Bismarck-National-Denkmal, kommentierte die "Deutsche Bauzeitung" mit höhnischer Resignation:

"Es hätte keiner hellseherischen Prophetengabe bedurft, um dieses Ergebnis vorauszusagen."

Denn "Reinhold Begas hat das Denkmal des alten Kaisers gemacht, er wird auch das Bismarcks machen. Ein gütiges Geschick aber möge uns vor einer Potenzierung des ,siegreichen‘ Entwurfs bewahren!"

War Berlin Ende des Jahrhunderts für Bildhauerei bekannt, so München für Malerei, Kunstgewerbe und seine Künstlerfeste. Prinzregent Luitpold hatte allerdings nur sehr viel bescheidenere Mittel zur Verfügung als sein Vorgänger Ludwig II. Der Prinzregent enthielt sich in Kunstfragen eines eigenen Urteils und wahrte Distanz, ohne eine künstlerische Richtung zu bevorzugen:
"... ich habe die Ansicht, daß die bayerische Staatssammlung die Aufgabe hat, die künstlerische Entwicklung darzustellen, die sich in München abspielt", soll er einmal seine Zustimmung zum Ankauf eines Bildes kommentiert haben, das ihm selbst nicht gefiel.

Seine Atelierbesuche, die in vielen Anekdoten überliefert sind, hatten eher privaten Charakter: "Er kam immer sehr früh, meistens um 8 Uhr, zu einer Zeit, da der Professor [Willroider] noch im Bett lag. Das störte den alten Herrn aber nicht. Er rauchte gemütlich seine Brazilzigarre und wartete im Atelier, bis der Professor fertig war. Der Regent versäumte nie, bei seinem Weggang dem Professor eine seiner starken übergroßen Brazilzigarren anzubieten."