"Ich bin ein Preusse, kennt ihr meine Farben?"

Um 1910
Postkarte, 14 x 9
Augsburg, Haus der Bayerischen Geschichte

Die Begeisterung der norddeutschen Touristen für die exotische Welt der Alpen ließ den Typus des "Salontirolers" entstehen. Denn trotz Joppe und Krachlederner ist der Herr auf dieser Witzpostkarte durch Vatermörder, Monokel und Schnürstiefel sofort als "Sommerfrischler" zu erkennen. Die Beschriftung "Ich bin ein Preusse, kennt ihr meine Farben" spielt an auf die gleichnamige "Preußenhymne", die 1831 der Halberstädter Gymnasiallehrer Bernhard Thiersch zum Geburtstag Friedrich Wilhelms III. gedichtet hatte.

 

 

 

"Kennt ihr meine Farben?"


 

Die Begeisterung für die bayerischen Alpen steht in direktem Zusammenhang mit der Herausbildung des Massentourismus, wie er im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts im Zuge von Industrialisierung und Verstädterung entstand. Vor allem in den stark von der Industrialisierung betroffenen Gebieten Nord- und Mitteldeutschlands nahm das Bedürfnis nach Erholung in ursprünglicher Natur zu.

Voraussetzung für die touristische Erschließung der Alpen war die 1859 eröffnete Eisenbahnverbindung Berlin–München. 1869 wurde der "Deutsch-österreichische Alpenverein" gegründet. Seine Mitglieder stammten vornehmlich aus dem Bürgertum: Beamte, Lehrer und Kaufleute.

Nicht nur die Natur, auch die "Eingeborenen" erschienen den Sommerfrischlern als urwüchsig und damit exotisch.

Um das Bedürfnis der "Zivilisationsmüden" nach Teilhabe an dem vermeintlich freien Leben zu befriedigen, boten die Einheimischen Dirndl und Lederhosen zum Kauf an.

Es entstand der Typus des "Salontirolers" mit alpenländischer Kostümierung, Vatermörder, Monokel, Schnürstiefeln und "Es-ist-erreicht-Schnurrbart". Der Salontiroler wurde auch ein beliebtes Motiv auf den Ansichtskarten für die Daheimgebliebenen.